Das Licht im Panoramasalon mit den mondänen Drehsesseln und den runden Holztischen mit Glasplatte ist gedimmt, um – verständlicherweise – besser nach draußen sehen zu können. Dennoch wirkt die Lichtstimmung wie in einem Kinosaal, bevor der muskulöse Held der Geschichte seine Liebste aus den Fängen des Bösen befreit oder. Allerdings ertönt hier auf der MS Finnmarken leises Klavier. Ein bisschen Fahrstuhlmusik, gesäuselt im Hintergrund, während die erleuchteten Häuser von Bergen an uns vorüberziehen; oder besser wir an ihnen. Pünktlich um 22:30 hat unser Postschiff in Bergen, unserem südlichsten Hafen an der norwegischen Küste, abgelegt.

Bedächtig wie das Geklimper vom Band fahren wir unter einer Brücke hindurch. Die hellen Straßenlichter zeichnen einen strahlenden Bogen in die nächtliche Kulisse. Dass es draußen in Strömen regnet, davon ist hier drinnen im Warmen nichts zu merken. Nur der malerische Anblick unserer Ausfahrt von unserem Starthafen dringt zu uns ins Schummrige. Jetzt geht sie also los, die „schönste Seereise der Welt“, wie Reisende und natürlich die Reederei selbst die Hurtigruten an der norwegischen Küste nennt.

So viele Lichter. Bergen ist ganz offensichtlich die zweitgrößte Stadt Norwegens! Eine kleine Biegung, die Häuser links und rechts hören auf und der Blick in die Dunkelheit wird frei. Nur kleine, blinkende grüne Lichter weisen den Weg – und sicher auch hochmodernes technisches Gerät auf der Brücke!

Nach kurzer Dunkelheit erregen die nächsten hell angestrahlten Gebäude am Ufer unsere Aufmerksamkeit. Grelles weißes und gelbliches Licht. Eine Raffinerie? Fischereiwirtschaft? Aus der Ferne schwerlich auszumachen. Auf jeden Fall gehören die imposanten Lichter zu einer Industrieanlage und sind keine gemütlichen kleinen Häuschen, in denen die Kinder friedlich schlafen, das Feuer im Kaminofen knackt und knistert und Kommissar Wallander (ja, ich weiß, der kommt aus Schweden; ist im norwegischen Fernsehen aber auch sehr beliebt!) die Bösen zur Strecke bringt. Nachdem wir die grellen Lichter passiert haben ist es wieder dunkel draußen.

Die ruhige Atmosphäre, in der die Passagiere in genüsslichem Schweigen und staunendem Flüstern dem Auslaufen des Schiffes zugesehen haben, ist mit den letzten Lichtern am Ufer vorbeigezogen. Fröhliches Schnattern, heiteres Zuprosten und aufgeregtes Lachen übertönt die leise Fahrstuhlmusik, die mit stoischer Gelassenheit weiter über die Lautsprecher säuselt. Am Horizont sind schon die nächsten Lichter zu sehen. In Norwegen liegen einige Ortschaften entlang der Küste, die wir auf unserer Reise gen Norden passieren werden. Unser nächster Hafen ist Florø, morgen früh um 4:30 Uhr.

Auf dem Weg in meine Kabine fallen mir wieder die Ständer mit den „Reisesykepose“ – Spuckbeuteln – auf. Sie liegen an vielen Orten aus: neben dem Fahrstuhl, vor den Infoständen der Reiseleitung an Bord und in den Kabinen. Die machen einem ja Mut! Ob’s wirklich so stürmisch wird auf dieser Reise? Abwarten – wir sind schließlich gerade erst gestartet und von Sturm ist für die nächsten Tage nichts angesagt.