Wir müssen nicht lange suchen, um unseren Tourguide im Hafen von Hammerfest zu finden. Schon von der Gangway sehen wir den weißen Mantel und die norwegische Flagge – so wie auf dem Foto. Katja, ursprünglich aus Sachsen, aber seit acht Jahren in Norwegen beheimatet, begrüßt uns fröhlich. Im Bus liegen unsere Sachen bereit: einen weißen Mantel, Filzfäustlinge, eine warme Mütze mit „Ohrenschlappen“ und Schneebrille – letztere ist allerdings „Fake“. Wie? Wir sollen uns für unsere Wanderung verkleiden? Stirnrunzeln bei uns zehn Teilnehmern. Aber kommt, gönnen wir uns ein wenig „Touristen-Spaß“!  Mehr oder weniger begeistert streife ich die Sachen über, die uns in die richtige Polarexpeditionsstimmung bringen sollen. Denn das ist Thema der Winterwanderung: Der Wettlauf von Groß Britannien und Norwegen zum Südpol, der Fram-Expedition von 1910 bis 1912.

Zwei Stunden liegt die MS Finnmarken in der nördlichsten Stadt der Welt fest. Viel Zeit bleibt uns also nicht. Mit dem Bus geht es etwa zehn Minuten an den Ortsrand. Von dort starten wir unsere „Eis-Expedition“. Bevor wir den „Berg“ erklimmen, bekommen wir noch alle einen Wanderstock, mit dem wir uns notfalls aus Tiefschnee wieder befreien können, sollten wir in eine Schneewehe treten. Spikes brauchen wir heute nicht, der Schnee ist gut zum Laufen und an der Oberfläche nicht vereist – mal wieder haben wir leichte Plusgrade.

Trotz der milden Witterung, haben wir Glück: weder Schnee noch Regen, kein Sturm (eine Woche zuvor musste die Wanderung wegen dem starken Wind abgebrochen werden) und die Polarnacht wird gerade von einer rötlich-violetten Färbung am Himmel erhellt. Der Schnee ist weich, reicht an einigen Stellen über meine Winterstiefel hinüber. Katja stapft vorweg. Die blau-rote Landesfahne, die sie über der Schulter trägt, flattert im Wind. Dann also: auf, auf, hinauf auf den Berg!

Im Eis 4

Traumhafte Polarnacht

Die ersten Schritten sind in Ordnung, aber je steiler der Weg wird und je tiefer der Schnee, desto anstrengender ist die Wanderung – zumal ich als Flachlandbewohnerin weder Höhen noch Tiefschnee gewohnt bin. Aber ich bin nicht die Einzige, die auf halber Strecke ein wenig ins Schnaufen gerät! Nicht nur deswegen bleibt Katja auf halber Strecke stehen und erzählt uns von der berühmten Polarexpedition, von Roald Amundsen und dem Koch, Adolf Lindstrøm. Gut vorbereitet und mit Teamgeist erreichte das norwegische Team im Dezember 1911 deutlich vor den Briten den Südpol.

Uns sitzt glücklicherweise kein rivalisierendes Team im Nacken. Trotzdem dauert unsere Pause nicht lange. Es geht weiter bergauf! Oben angekommen liegen Hammerfest und die schneebedeckten Hügel vor uns und um uns herum. Ein fantastischer Ausblick, für den sich der Aufstieg auf jeden Fall gelohnt hat!

An der fantastischen Aussicht kann ich mich kaum sattsehen. Weißer Schnee soweit wir gucken können, der in der blauen Mittagsstunde der Polarnacht schimmert. Die verschneiten Häuser von Hammerfest liegen uns zu Füßen, auch der Hafen ist von hier oben zu sehen. Tief atme ich die klare Luft ein – hier oben würde ich so gerne noch länger bleiben, doch die Zeit sitzt uns mal wieder im Nacken. Damit wir unser Schiff nicht verpassen, gehen wir den „Abstieg“ an.

Unten angekommen, wartet Katjas Kollege auf uns. In einem Zelt – ähnliche hatten Amundsen und sein Team bei ihrer Südpolexpedition dabei – hat er den Ofen angeheizt, Kerzen angezündet und schon einmal leckere Kostproben geköchelt: Pfannkuchen mit Sanddornmarmelade und Hackbällchen. Sehr lecker! Dazu soll heißer Tee uns aufwärmen, während Katja uns weitere Details über die Südpolexpedition und den Koch Lindstrøm erzählt. Aus heutiger Sicht hört sich das nach Abendteuer und Spaß an – aber für die Männer war die zwei Jahre dauernde Expedition sicher kein Zuckerschlecken. Körper anstrengend muss es gewesen sein, der Natur ausgeliefert, dazu jagt mir alleine der Gedanke, so viele Monate mit ein und denselben Menschen zu verbringen, Angst und Schrecken ein. Keine Minute alleine? Das wäre nichts für mich. Ich kriege schon nach ein paar Tagen auf dem Postschiff mit tagtäglich denselben Gesichtern eine Koller, dabei habe ich sogar meine eigene Kabine, in die ich mich jederzeit zurückziehen kann, und auf dem Schiff reisen rund 260 Passagiere und nicht nur knapp 20! Nein, für Polarexpeditionen  in damaliger Zeit musste man wirklich viel auf sich nehmen!

Im Eis 3

Blick auf die Bucht bei Hammerfest.