Sexy blauer Overall? Check! Sturmhaube? Check! Helm? Check! Als ich mit meiner geliehenen Thermoausrüstung durch den Schnee stapfe, komme ich mir ein wenig wackelig vor. Insbesondere der Helm ist gewöhnungsbedürftig schwer. Aber Hauptsache ist natürlich, dass mir weder Finger noch Zehen oder sonstige Gliedmaßen einfrieren und ich im Fall der Fälle sicher bin, wenn wir gleich unsere Schnee-Scooter besteigen und durch die Weite Nordnorwegens brausen. Naja, erst mal geht es gemächlich zu. Wir müssen uns mit den schnittigen Gefährten erst anfreunden. Wie schnell reagiert das Gaspedal? Wie halte ich das Schneemobil in der Spur?

Ich darf als Erste fahren. Jeweils zu zweit sitzen wir auf dem Scooter. Gefühlt finde ich mich schnell zurecht, auch wenn es etwas schwierig ist, das Gefährt schnurgeradeaus zu fahren. Vor uns sind so viele schon diese Strecke gefahren, dass die beiden Schlitten vorne am Scooter immer wieder in die Spuren der Vorgänger rutschen. So geht es fröhlich hin und her, daran muss ich mich erst gewöhnen. Nach kurzer Zeit werde ich mutiger und drücke aufs Gaspedal. Uiii, sind wir flott – jedenfalls gefühlt… Als ich auf den Tacho schaue, traue ich meinen Augen kaum: Gerade einmal mit 45 Stundenkilometer „brausen“ wir über den zugefrorenen Fjord. Und die Einheimischen fahren die Dinger mit 200?? Davon bin ich weit entfernt! Aber: Wir wollen ja auch ein wenig die Landschaft genießen 🙂 Hohe Berge, schneebedeckt, überall schießen die Tannen in die Höhe. Wir sind nur fünf Kilometer von der russischen Grenze und der Taiga entfernt, was an der Vegetation deutlich zu spüren ist.

Auf halber Strecke machen wir Halt. Ulf, einer unserer Tourguides, erzählt uns von der Wildnis hier draußen. Von den Wölfen, Bären, Rentieren und Seeadlern. Und auch davon, dass selbst hier im hohen Norden das Eis auf der Barentsee immer dünner wird. Zwar ist es während der Wintermonate noch dick genug, dass wir mit unseren Scootern gefahrlos unsere Runden drehen können – aber es ist die Frage, wie lange das wohl noch so bleiben wird. Die weltweite Klimaentwicklung lässt nichts Gutes hoffen.

Ulf ist ein echter Entertainer! Er erzählt so lebendig und fröhlich, dass gar keine schlechten Gedanken oder gar Weltuntergangsstimmung aufkommen kann. Nach einem Foto geht es zurück ins Camp, wo heißer Tee und Kaffee bereits auf uns warten.

Wie geplant fährt auf der Rücktour Susanne, mit der ich mir einen Schneescooter teile. Auf dem Rücksitz die Landschaft zu genießen, links und rechts nach Rentieren und über uns nach Seeadlern Ausschau zu halten, ist auch OK – selbst zu fahren macht deutlich mehr Spaß!

Wie gut, dass die Griffe, sowohl für den Fahrer als auch für den Beifahrer, beheizt sind. Denn durch den Fahrtwind wirken die vergleichsweise milden minus 7 Grad recht frisch; trotz der dicken Fäustlinge.

Als wir wieder am Ausgangspunkt angelangt sind, wird es schon wieder schummriger. Heute ist der erste Tag, an dem nach Wochen der Polarnacht die Sonne zum ersten Mal wieder über den Horizont lugte. Für 37 Minuten. Danach hat wieder das magisch bläuliche Licht die Regie am Himmel von Kirkenes übernommen. Zeit, es sich gemütlich zu machen: Aufwärmen im traditionellen Zelt der Samen. Wir sitzen auf Holzbänken auf Rentierfellen um das Feuer herum, nippen an unseren heißen Getränken – ein bisschen Tourifeeling muss wohl sein bei solchen Ausflügen 😉

Ulf hat sich für diesen Programmteil in den traditionellen Umhang der Samen geworfen und seine Samen-Mütze mitgebracht. Auf seine fröhliche Art erklärt er die Bedeutung der vier Spitzen der Mütze – die vier Himmelsrichtungen – und die Art die Kopfbedeckung zu tragen: Bänder rechts bedeutet, der Mann ist verheiratet, die Bänder auf der linken Seite bedeutet: dieser Herr ist noch zu haben. Ulf ist noch zu haben, wie er augenzwinkernd erzählt.

Wir dürfen auch Rentierfleisch probieren. Eine Spezialität aus einem kleinen Beutelchen. Jeder auch nur ein kleines Stück. Eigentlich bin ich kein Freund von Fisch oder Fleisch, aber ich bin neugierig und greife zu. Schmeckt gar nicht mal so übel. Nach Fleisch eben, recht mager. Es erinnert mich ein wenig an Biltong, luftgetrocknetes Rindfleisch in Südafrika. Als Ulf erzählt, was er uns da zum Probieren gegeben hat, wird mir kurz doch etwas anders: Es ist getrocknetes Herz, das aus Muskelfleisch besteht und sehr gesund sein soll. Hätte ich das nur vorher gewusst… Zum Glück war es nur ein kleines Stück 🙂

Weiter geht der Touriteil: Ulf erzählt mehr von der samischen Kultur und von den Medizinmännern der nordischen Volksgruppe. Oh Freude, ich „darf“ nach vorne kommen und die Trommel schlagen, während der Rest der Gruppe rhythmisch, sagen wir mal, singt, was erstaunlich viel Spaß macht.

Danach ist es Zeit, die sexy blauen Thermoanzüge wieder auszuziehen und zurück zum Schiff zu fahren. Zum Abschied herzt mich Ulf und nimmt mir das Versprechen ab, einmal wiederzukommen. Aber das nordnorwegische Winterfeeling hat mich schon längst gepackt!

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