„Oh, warst Du auf Herm?“ Etwas irritiert bei dieser Frage sah ich die Dame an der Rezeption an. Hatte ich ihr zufällig von meinen Plänen erzählt? Aber schnell deutete sie an, dass sie es meinen sichtlich geröteten Wangen ansehen würde. Zwar hatte ich mir keinen Sonnenbrand geholt, aber meinem Gesicht war deutlich anzusehen, dass es tagsüber einiges an Sonne abbekommen hatte. Und nicht nur meine Haut hatte einige Sonnenstrahlen zu viel gesehen, auch mein Gehirn fühlte sich jetzt am Abend etwas mitgenommen und matschig an. Die freundliche Dame an der Hotelrezeption beruhigte mich mit den Worten, dass es vielen so ergehen würde, die für einen Tagesausflug auf die Nachbarinsel Herm fuhren. Die meisten kämen „rot wie Hummer“ zurück, meinte sie lachend. So schlimm war es bei mir zum Glück nicht. Dem hohen Lichtschutzfaktor meiner Sonnencreme sei Dank. Dennoch war ich über die Intensität der Sonneneinstrahlung überrascht: Als so heißt hatte ich es auf der Insel gar nicht empfunden.

Blick auf die schönste Bucht der kleinen Insel.

Vielleicht hing dieses subjektive Gefühl damit zusammen, dass der Wind stets eine kühle Brise vom Meer mitbrachte und dass meine Füße und Waden längere Zeit in dem 12-Grad-kühlen Ärmelkanal standen.
Richtig gelesen: 12 Grad Wassertemperatur. Die genaue Zahl erfuhr ich allerdings erst nach meinem ausgedehnten Fußbad. Eigentlich wollte ich noch weiter hinein, mich in die Fluten stürzen. In meinem Optimismus hatte ich angenommen, dass ich mich an das kalte Wasser schon gewöhnen würde. Doch auch nachdem ich einige Zeit durch das flache Wasser gewatet war, fühlte sich das Wasser kalt an. Eiskalt. Gefühlt wurde es sogar von Minute zu Minute kälter. Also nahm ich von meinen Badeideen Abstand, schlenderte langsam zurück an den weißen Sandstrand der kleinen Badebucht mit dem bunten Kiosk und der fröhlichen Verkäuferin.

Denn auch ohne Badeerlebnis ist Herm ein traumhafter Ort! Ein letztes Idyll auf Erden; gefühlt jedenfalls. Sehr überschaubar, schnuckelig, sehr freundliche Einwohner und sensationelle Natur mit Strand, Dünen und Klippen und einer fantastischen Vogelwelt. Was der gewöhnliche Tagestourist hier bei Regen macht? Nun, da bin ich überfragt… Ich freute mich über viel, viel Sonne, kleine Wattewölkchen und Sommerwärme!

Von Saint Peter-Port, der Hauptstadt von Guernsey, starten mehrmals am Tag Fähren, die ihre Passagiere in 15 Minuten auf die kleine Nachbarinsel schippern. Die erste morgens um 8:30 Uhr, die letzte um 18 Uhr ab Herm. Bei Flut legen die Fähren im Hafen an, bei Ebbe – der Tiedenunterschied auf den Kanalinsel ist einer der höchsten der Welt –  an den Roosalie Treppen. Autos sucht man auf der  zwei mal vier Kilometer großen Insel vergeblich. Koffer und Waren werden mit Traktoren an ihren Bestimmungsort gebracht, ansonsten sind die eigenen Füße das Fortbewegungsmittel. Nicht einmal Räder gibt es auf der kleinen Insel. Sie würden einem auch nicht viel nützen. Zum einen sind die Wege erwartungsgemäß kurz, zum anderen führt nur ein schmaler Wanderweg um die hügelige Südspitze, auf dem ein Rad nur hinderlich wäre.

Wer auf den Kanalinseln unterwegs ist, sollte der kleinen Insel unbedingt einen Besuch abstatten. Herm: eine absolute Reiseempfehlung!