Kommissar Thiel würde sich bei den aktuell schwül-warmen 30 Grad hier in Münster vermutlich mit einem kühlen Bier in der Hand und dem Ventilator vor der Nase dem süßen Nichtstun hingeben, während Professor Boerne auf dem Golfplatz seinen Abschlag verbessert, im erträglichen Schatten selbstverständlich – jedenfalls solange bis der nächste Mord das Tatort-Duo zur Aktion ruft. 🙂 Schatten, ein kühles Getränkt, das süße Nichtstun, das klingt gerade allzu verlockend. Aber schließlich bin ich nach Münster gekommen, um zu sehen was die Krimihochburg außer Mord und Totschlag noch zu bieten hat! Daher bringe ich nur schnell meine Tasche ins Hotel und starte meinen ersten Streifzug durch die westfälische Stadt. Bei dem hochsommerlichen Wetter bin ich nicht die Einzige, die in den Straßen der historischen Altstadt unterwegs ist. Nach meinen Berechnungen dürfte jede zweite Wohnung in Münster und Umgebung gerade verwaist sein – alles tummelt sich in der Innenstadt:  Die Tische in den Restaurants und Cafés am Prinzipalmarkt sind voll besetzt, die Schlangen an den Eisdielen lang und auf den mit Kopfsteinen gepflasterten Straßen wuseln Fußgänger wie Radler gleichermaßen umher. Aber bei dem herrlichen Sommertag, dazu an einem Wochenende, sei es jedem gegönnt, ein bisschen die Seele baumeln zu lassen.

Der Dom, der eigentlich eine Kathedrale ist

Ruhe finde ich im St. Paulus Dom. Wobei der Dom nicht nur ein Dom ist, sondern eine Kathedrale, wie mir der höfliche Kirchenaufseher erklärt. „Sehen sie da hinten das schwarze Quadrat?“ fragt er und deutet In Richtung Altarraum. In der Tat ist der Stuhl des Kardinals von hier drüben nicht mehr als ein schwarzes, kleines Etwas. Aber dies sei der Hinweis auf eine Kathedrale. Außerdem erfahre ich auf Nachfrage, dass die täglichen Gottesdienste ganz gut besucht seien, werktags vor allem die morgens um sieben und acht Uhr. Vor der Arbeit würden die Gläubigen, die in der Innenstadt arbeiten, noch zur Messe gehen. Ich bin ja schon froh, wenn ich mich morgens um sieben zum Sport aufraffen kann; auf den Gedanken, vor der Arbeit noch in die Kirche zu gehen, kam ich bisher nicht. Soviel zum Klischee des erzkatholischen Münsters und dem ungläubigen, dafür aber echten Norden 🙂 🙂

Fernab der Stereotypen – das Gotteshaus ist wirklich schön! Die Säulen und Bögen sind imposant, ohne dabei protzig zu wirken. Beeindruckend, was die Menschen vor 750 Jahren für architektonische Meisterwerke geschaffen haben. Besonders spannend finde ich die vier kleinen Kapellen im Chorumgang hinter dem Altarraum. Jede hat dabei ihren eigenen Stil, ihren eigenen Charme. Von Lichtinstallationen mit Bildschirmen bis hin zu Wohnzimmeratmosphäre; beides ein wenig irritierend, passt es nicht in das Bild herkömmlicher Kircheneinrichtungen. Aber bevor ich weiter über die beiden Polstermöbel sinnieren kann, erweckt ein anderes Element meine Aufmerksamkeit: die astronomische Uhr. So eine kenne ich aus der Marienkirche in Rostock. Und in der Tat gibt es Parallelen der aus dem 16. Jahrhundert stammenden kunstvollen Uhren. Meine Augen verlieren sich gerade in den vielen liebevoll gestalteten Details, als eine helle Glocke ertönt und das baldige Ende der Besuchszeit ankündigt. Ein wenig aufgeschreckt husche ich flott durch den Kreuzgang des Doms und werfe rasch einen Blick in den Domherrenfriedhof. Wie lieblich die Abendsonne über den Domspitzen liegt und in ein zauberhaftes, weiches Licht hüllt. Hier könnte ich gut den Abend ausklingen lassen, die Hektik der Innenstadt und des Alltages hinter mir lassen und der Stille lauschen. Aber da war ja die Feierabendglocke…

Schloss Münster – zumindest eine hübsche Kulisse

Vom Dom sind es nur wenige Minuten zu Fuß bis zum Schloss Münster. Anfangs kann ich das dreiflüglige Gebäude nur erahnen, einige Absperrungen und weiße Pavillons versperren die Sicht. Es ist Sommer und mächtig was los vor dem Schloss, das inzwischen die Verwaltung der hiesigen Universität beherbergt und gar kein „richtiges“ Schloss mehr ist. Hübsch ist das Gebäude dennoch und neugierig wie ich bin, mache ich mich auf die Suche nach einer Lücke im aufgestellten Bauzaun, der den Schlossvorplatz und das darauf gastierende Sommernachtskino für einige Wochen umgibt. Kurz vor dem Eingang zum Schlossgarten kann ich schräg auf einen Teil des Gebäudes sehen. Abends, so habe ich gelesen, während des Sommerkinos wird es in verschiedenen Farben beleuchtet.

Mit Stirnlampe über den Sommernachtsflohmarkt

Diesen Abend steht allerdings der Sommernachtsflohmarkt auf dem Programm. Einmal im Jahr werden von Freitagabend bis Samstagmittag an hunderten von Ständen Neues und Gebrauchtes, Schönes und Skurriles angeboten. Von Gesellschaftspielen über Schmuck über Kinderkleidung bis hin zu Esstischen – für jeden Geschmack das Passende.

Auch ich schiebe mich Zentimeter für Zentimeter an den Klapp- und Tapeziertischen vorbei. Immer wieder bleibe ich stehen und stöbere genüsslich bei Ketten und Ringen, Hundezubehör und alten Möbelknöpfen in allerlei bunten Farben. So viel zu sehen!

Die Stände reihen sich an der grünen Promenade dicht an dicht. Die „Wiederholungstäter“ des Sommernachtsflohmarktes erkennt man spätestens bei Einbruch der Dunkelheit: sie haben Taschenlampen dabei, echte Kenner sind sogar mit Stirnlampen ausgerüstet. An sowas hab ich leider nicht gedacht und so wird das Stöbern im Dunkeln zu einer Herausforderung; auch wenn viele Verkäufer hübsche Lämpchen aufgestellt haben, die eine ganz besondere Stimmung zaubern.

Unterwegs auf dem Wochenmarkt Münster und dem Prinzipalmarkt

Duftende Rosen und zarte Margeriten, aromatischer Schnittkäse und köstliches Rindfleisch, süße Erdbeeren und knallrote Himbeeren – an rund 150 Wochenmarktständen werden mittwochs und samstags Köstlichkeiten aus der Region und Kunsthandwerk angeboten. Was es alles zu entdecken gibt! Damit geht das Stöbern an bunten Ständen am Samstagvormittag gleich weiter 🙂

Je weiter die Uhr Richtung Mittag zieht, desto voller wird es auf dem Wochenmarkt. Als es nur noch millimeterweise vorwärts geht, ist es Zeit für mich zu gehen. Schließlich gibt es noch mehr in Münster zu erkunden. Außerdem möchte ich meine Blümchen – ja, ich konnte mich der Atmosphäre nicht entziehen und hab zartrosa Margeriten für meinen Balkon erstanden – ins Hotel bringen. Ich könnte sie auch für meinen weiteren Innenstadtbummel beim Taschenwagen abgeben, ein ganz besonderer Service in Münster. Zwischen neun und 16 Uhr können Besucher kostenlos ihren Einkauf zur Aufbewahrung  abgeben, auch in gekühlte Ablagefächer.

Mein Weg führt mich zu einem anderen Markt, dem sogenannten Prinzipalmarkt. Ein absolutes Highlight des westfälischen Städtchens. Wobei der Begriff etwas irreführend ist, handelt es sich schließlich eher um einen Straßenzug mit wunderschönen Giebelhäusern rechts und links der Kopfsteinpflasterstraße. Hier findet sich auch das Historische Rathaus. Lustig wie die Häuser damals im 13. Jahrhundert gebaut wurden, mit den Giebeln in so verschiedenen Formen und Varianten, die von der Seite an eine Kulisse im Theater erinnern.
Umso schöner, dass dieser historische Stadtkern heute noch zu bestaunen ist, obwohl viele der Gebäude im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört wurden.

Was es sonst noch zu sagen gibt

Den Berlinern wird ja oft eine unfreundliche Grundhaltung nachgesagt. Wie immer mit Stereotypen trifft das sicher nicht auf jeden Berliner zu – es gibt schließlich auch viele Zugezogene. Aber das berühmte Fünkchen Wahrheit steckt vermutlich auch in diesem Klischee. Wer sich also in Berlin an den vermeintlich unfreundlichen Bewohnern stößt, wird sicher keine Freude in Münster haben. Sicher – es ist immer nur eine Momentaufnahme und ich will nicht behaupten, dass der Münsteraner an sich unfreundlich ist. Allerdings war ich überrascht, dass ich bei meinem Besuch in der westfälischen Stadt nur griesgrämige und ignorante Menschen, ob nun Münsteraner, Zugezogene oder Touristen, getroffen habe. Selbst ein freundliches „Guten Morgen“ meinerseits wurde lediglich mit einem mürrischen, manchmal gar ängstlichen Blick quittiert.

Oder lag es an der sommerlichen Wärme, die allen aufs Gemüt geschlagen ist? Vielleicht sollte ich in der kalten Jahreszeit noch einmal wiederkommen und erkunden, ob die Laune bei Temperaturen um 10 Grad Celsius ein wenig fröhlicher und herzlicher ist 🙂


Auch diesmal gibt es natürlich einige Impressionen von Münster in meinen Fotowelten/Tatort Nord/Münster. Viel Spaß beim Stöbern!

Beim nächsten Teil meiner Sommerserie „Tatorte Nord“ geht es wieder ein wenig grüner zu. 🙂 Sei gespannt, am 1. September gibt es die nächste Folge!