Gerne erinnere ich mich an die Zeit des Vorlesens, damals, als ich noch klein war. Eines der vielen Bücher, die meine Mutter uns vorlas, waren die Geschichten von Tante Mila aus der Blaufärberstraße. Ihr passierten ständig unvorhergesehene Dinge und so zieht sich Tante Milas Spruch „unverhofft kommt oft“ als roter Faden durch all‘ ihre schönen und skurrilen Erlebnisse.

Unverhofft kommt oft – wer kennt das nicht? Ungeplant, unbeabsichtigt und am Ende entstehen daraus bleibende schöne Erinnerungen. Manchmal sind es wirklich nur kleine Episoden, die gut auf zwei oder drei Bücherseiten zu erzählen wären J Und so muss ich bei meinem (dienstlichen) Besuch in Magdeburg an Tante Mila denken, als ich unverhofft vor einem rosa getünchten Haus stehe. Kleine Türmchen ragen in den blauen Himmel, bunte Mosaike schlängeln sich um Säulen, über runde Fenster und entlang der farbenfrohen Fassade. Wie aus einer anderen Welt entrückt. Ein Haus, entworfen von Friedrich Stowasser – vielen eher unter seinem Künstlernamen Friedensreich Hundertwasser bekannt.

Plötzlich stehe ich vor der „Grünen Zitadelle“ – in zartem Rosa

Vielleicht hatte ich es schon mal irgendwo gelesen, gehört, am Rande mitbekommen, dass in der Magdeburger Innenstadt ein Hundertwasser-Haus steht. Doch war es nicht in meinem aktiven Gedächtnis und so ist es eher ein unverhofftes Stolpern über diese eigenwillige Baukunst. Da die „Grüne Zitadelle“ unter anderem ein Hotel, mehrere Geschäfte und einen Kindergarten beherbergt, stöbere ich neugierig durch den Innenhof. So früh am Morgen sind die Läden noch geschlossen. Vereinzelt bringen Väter oder Mütter ihre Kleinen zum Kindergarten, ansonsten bin ich weitgehend alleine und kann mich in Ruhe umsehen. Auch im Innenhof stehen Säulen, schmalere und dickere, alle bunt verziert, dabei gleicht keine der anderen. Das Konzept von Hundertwasser. Keine geraden Linien, keine Wiederholungen.

Im ersten Stock steht ein Mann an der Balustrade. Vermutlich einer der Mieter, denn über den Geschäften befinden sich Mietswohnungen in dem bunten Hundertwasserhaus. Er steht da, lässt den Blick schweifen, mal durch den Innenhof, mal in das blaue Fleckchen Himmel, das von hier aus zu sehen ist. Dabei streckt er sich, reckt seinen beleibten Bauch ungeniert nach vorne, unter dem lediglich ein schwarzes Minihöschen zu sehen ist. Selbstbewusstsein scheint er ja zu haben, der gute Mann 🙂 Aber vielleicht braucht man das auch, wenn man in einer Touristenattraktion wohnt und vermutlich täglich Neugierige vorbeikommen, sich umsehen und Fotos machen. So überlasse ich den Mann seinen morgendlichen Dehnübungen und spaziere in Richtung Dom, der unweit des bunten Hauses am Domplatz steht. Von hier kann ich die Pflanzen auf dem Dach sehen. Alles grün – daher auch der Name „Grüne Zitadelle“ für das rosafarbene Haus mit den farbenfrohen Elementen.

Hundertwasser am Bahnhof von Uelzen

Was für ein charmanter Zufall: Auf dem Rückweg von Magdeburg führt mich mein Weg über den Bahnhof von Uelzen in Niedersachsen. Kein Ort, den ich bisher auf meiner Reisewunschliste hatte, um ehrlich zu sein. Doch der kurze Stopp hat es in sich: das Bahnhofsgebäude ist nach Ideen von Hundertwasser umgebaut worden. Bunt und fröhlich kommt es daher, wenn auch nur in einzelnen Elementen und nicht als gesamtes Bauwerk. Viel Zeit bleibt mir nicht, alle farbenfrohen Facetten zu erkunden. Am Bahnsteig warte ich neben Säulen aus leuchtend gelben Mosaiksteinchen, und auch vom Zug bietet sich ein schöner Blick auf das einkadende Gebäude mit den Säulen und Kugeln.

Unverhofft kommt eben oft

Es ist schön, wenn unvorhergesehen etwas Schönes passiert. Vielleicht ist es nur eine Kleinigkeit, eine Begegnung mit einem sympathischen Menschen im Zug, eine atemberaubende Darbietung eines Straßenmusikers oder eben spontanes Sightseeing auf dem Weg zu einer Konferenz. Inne halten, genießen und sich an dem Zufälligen erfreuen. Sonst wäre der Alltag doch langweilig 🙂