Hoffentlich haben die jüngsten Dreharbeiten für den Horrorfilm alle ratslosen Seelen aus den verlassenen Fluren und Hallen vertrieben – und auch die Spinnen und Ratten… Erinnerungen an „Madhouse“ und „Friedhof der Kuscheltiere“ flimmern wie kleine Blitze durch meine Gedanken, als ich auf dem Weg zu den Beelitzer Heilstätten südlich von Berlin bin. Natürlich ist das „Tüdelkram“, wie wir in Norddeutschland sagen, Geister wird es dort schon nicht geben. Selbst wenn: Sie werden vermutlich ein wenig befremdlich auf mich reagieren und mir verwundert dabei zu sehen, wie ich übereifrig die Einstellungen an meiner Kamera korrigiere und den richtigen Winkel für das perfekte Foto suche – und hoffentlich auch finde! Ihr Erstaunen über mein „Arbeit“ wird sie schon davon abhalten, mich zu erschrecken oder mir böse Streiche zu spielen.

Fotokameras sind älter als diese Geister!

Wobei, überlege ich weiter und überprüfe erneut, ob auch alle drei Taschenlampen im Rucksack sind, die Geister von Beelitz Fotoapparate kennen sollten. Erbaut wurden die Heilstätten zwischen 1898 und 1930, damals als Lungenheilanstalt für Männer und später auch Frauen, also zu einer Zeit, in denen es die Fotografie bereits lange gab. All jene, die später an diesem Ort verstorben sind, zum Beispiel als die Lungenklinik in den beiden Weltkriegen als Lazarett und Sanatorium für Soldaten diente, und heute wohlmöglich durch die dunklen unterirdischen Verbindungstunnel zwischen den Gebäuden oder die Gänge der ehemaligen Chirurgie geistern, sind erst recht mit Kameras vertraut. Zudem bin ich wahrlich nicht die Erste oder Einzige, die den Charme des Verlassenen und Verfallenen mit der Kamera möglichst ästhetisch einfangen möchte. Beim Durchforsten des Netzes zu diesem vermeintlich verlassenen Ort entpuppen sich die Beelitzer Heilstätten schnell zum „Hot Spot“ der Lost Places.

Auf die Plätze, fertig, los! 48 Hobbyfotografen „erobern“ Beelitz

Aber Schluss jetzt mit den Geistern! Und tatsächlich: Als ich am Treffpunkt ankomme, sind die Geister und Horrorfilme und Spinnen aus meinem Kopf verschwunden. Denn zur Fotobase von go2know sind mit mir noch etwa 48 andere (Hobby-)Fotografen gekommen. Bei dem Equipment, das einige dabei haben, komme ich mir wie die blutigste Anfängerin vor. Zum ratlos herumstehen bin ich natürlich nicht nach Beelitz gekommen; also mache ich mich auf den Weg über das rund 140 Hektar große Gelände und suche nach dem Schönen dieser beeindruckenden Kulisse, das ich mit Hilfe von Licht und Schatten in Szene setzen möchte.

Hohe Treppenhäuser laden zum Fotografieren und Stöbern ein.

Vorsicht, Stolpergefahr!

Bei den ersten Gebäuden, die auf meinem Weg liegen, ist von Schönheit allerdings wenig zu erkennen. So suche ich den Weg zum ehemaligen Badehaus der Männer, von dem ich bereits Fotos gesehen habe. Imposant, wie es plötzlich vor mir liegt, von bunt gefärbten Laubbäumen eingerahmt, fast wie auf einer Postkarte. Auch die Eingangshalle mit den Säulen entlockt mir ein leises Staunen. Ein wenig zu einladend für einen so verlassenen Ort, denke ich, nachdem das erste Staunen ein wenig abgeebbt ist. Die Wände sind frisch gestrichen, der Boden sieht an einigen Stellen neu verlegt aus, auf jeden Fall wurde sorgfältig gefegt. Alles sieht sehr „clean“ aus und somit anders als erwartet. Für die jüngsten Dreharbeiten wurde einiges am Badehaus der Männer verändert, selbstverständlich in Absprache mit dem Denkmalschutz. Den Gang zur linken runter finde ich aber, was meinen Vorstellungen entspricht. Hier blättert Farbe von den Wänden. Durch die mit Brettern vernagelten Fenster scheint das helle Sonnenlicht, drängt sich wie dünne Fäden durch die kleinen Spalten. Schutt liegt in einer Ecke, ein altes, verrostetes Bettgestell steht im Raum, ein Kopfkissen, inzwischen deutlich ergraut, aber sicher erst einige Jahre alt, liegt darauf. An der Wand lehnt ein alter Fensterrahmen, zumindest ein Teil davon. Tief bohren sich die Füße von meinem Stativ in die weiche Staubschicht auf dem Boden. In dem schummrigen Licht muss ich aufpassen, dass ich nicht stolpere.

Ich seh‘, wie schön Du mal warst.

Die zumeist leeren Gänge und Zimmer lassen erahnen, wie der Ort vor 100 Jahren ausgesehen hat, als hier noch Schwestern in weißer Tracht durch die Flure gelaufen sind, Patienten in ihren Betten lagen oder die Inhalationsgeräte ihnen Linderung beim Atmen gegeben haben. Die Tapeten hängen in Fetzen von den Wänden, Rost und Schmutz zieren die wenigen Möbel, die hier noch zu finden sind, und doch ist überall die Schönheit zu sehen. In den Rundbögen an den Fenstern, an den imposanten Säulen und geschwungenen Decken, Treppenaufgänge, deren Geländer fein verziert sind, auch wenn die weiße Farbe an den meisten Stellen bereits abgeplatzt ist. Bewusst wurde hier eine angenehme, schöne Atmosphäre geschaffen, in der sich die Kranken wohlfühlen konnten. Dieser Geist ist noch immer deutlich zu spüren, in jedem Gang, jedem Raum und auf den weiten Grünflächen um die Häuser herum, die heute so herrlich warm in der Sonne glitzern.

Mehr Fotos von den Beelitzer Heilstätten und anderen „Lost Places“ findest Du in meinen Fotowelten.