Als schwirren tausend kleine Feen durch die Luft, tanzen fröhlich, springen und wirbeln ihren verzauberten Feenstaub wild umher – so funkeln die winzigen Schneeperlen, die von den Dächern und Bäumen im sachten Wind auf die Erde fallen. Über uns, in dieser finnischen Wildnis etwa eine halbe Stunde Autofahrt von Rautavaara, erstreckt sich der tiefblaue Himmel. In einer der kahlen Birken am Seeufer hüpft eine Blaumeise munter von Ast zu Ast. Sie piepst und pfeift, als wolle sie uns einen wunderschönen guten Morgen wünschen. Der Schnee knirscht unter unseren dicken Winterstiefeln. Wir schlagen den Weg auf den zugefrorenen See ein. Spaziergänger vor uns haben ein lustiges Wirrwarr an Spuren hinterlassen, an denen wir uns orientieren. Denn nicht überall ist der Schnee schon so schön festgetreten wie zwischen den Langlaufloipen; querfeldein sackt man schnell Hüfthoch in die lockere Schneedecke ein, was das Laufen fast unmöglich macht. Aber auch auf dem Trampelpfad, der sich zwischen den frisch gespurten Loipen über den See zieht, sacken wir immer wieder unvermittelt knietief ein.

Bei einer kleinen Baumgruppe bleiben wir stehen. Bei minus 27 Grad der vergangenen Nacht hat sich eine dünne Eisschicht auf Äste und Zweige gelegt. An den feinen weißen Kristallen, die in der Sonne glitzern, kann ich mich kaum sattsehen. Es ist einfach wunderschön.

Morgenstimmung am See.

Die Stille ist bemerkenswert. Die kleine Blaumeise haben wir längst am Ufer hinter uns gelassen. Kein anderer Vogel zieht über den blauen Himmel; im Winter ziehen sie in wärmere Gefilde. Lautlos glitzert der Schnee in weiß und leichten Blautönen in der Sonne. Nur in der Ferne hören wir zwei Huskys, die hin und wieder aufheulen. Sie wohnen auch in unserem Hotel; von meinem Zimmerfenster kann ich sie sehen. Hübsche Tiere, dichtes Fell und eiskristallblaue Augen. Wie die meisten Schlittenhunde leben sie das ganze Jahr über draußen, auch bei diesen eisigen Temperaturen. Sicher würden sie jetzt viel lieber durch den Schnee toben oder durch den Wald rennen, als an der Leine vor dem Haus zu sitzen.

Der See ist umgeben von Wald. Hauptsächlich Kiefern und Lärchen, dazwischen ein paar Birken, deren helle Rinde die Sonnenstrahlen reflektieren. Auf einigen kleineren Nadelbäumen liegen teils dicke Schneeplacken, ganz so, als habe sich ein minder talentierter Dekorateur dran gemacht, ein verträumtes Winter-Wunderland zu kreieren. Aber der Schnee ist einfach zu schwer, er rutscht durch die mageren Tannennadeln hindurch auf den Boden. Nur wenige Schneeklumpen können sich auf den dünnen Ästen halten.

Wo dieser kleine Freund wohl herkommt, so Mitten auf dem See?

Wir sind am gegenüberliegenden Seeufer angekommen. Der Weg führt vorbei an der Kammi. Früher lebte in solchen traditionellen finnischen Hütten die ganze Familie samt Tieren. Heute ist es eher ein Ort des geselligen Beisammenseins, wo man sich am Lagerfeuer trifft, es sich auf Holzbänken und kuscheligen Fellen gemütlich macht. Hinter der Kammi geht es in den Wald. In einer der verschneiten hohen Tannen klopft ein Specht eifrig ins Holz, während kleine Fußspuren verraten, dass ein Schneehase über den Weg gelaufen und zwischen den Bäumen verschwunden ist. Ansonsten liegt weiter diese atemberaubende Stille über uns.

Eine gemütliche Kammi im Schnee.

Weich schmiegt sich der Schnee um Hügel und Steine, liegt auf Bäumen und Ästen. Als hätte Frau Holle nicht ihre Bettdecke kräftig ausgeschüttelt, sondern Unmengen an Sahne, wunderbar fluffig und leicht, über der Wildnis bei Rautavaara ausgegossen. So herrlich unberührt, so friedlich und ruhig – da möchte ich am liebsten auf Zehenspitzen weitergehen, um diese Idylle nicht zu stören. Nicht nur der Anblick hält mich davon ab, querfeldein zu laufen: In dem meterhohen Schnee würde ich keine drei Schritte weit kommen, sondern fröhlich darin versinken.

Ganz unberührt liegt der Schnee auf dem See und im Wald.

Einige Impressionen der winterlichen Landschaft bei Rautavaara/Ostfinnland (etwas nördlich von Kuopio gelegen) findest Du in meinen Fotowelten/Auf Reisen.