Erhitzte Haut, die sich sachte berührt, feucht von Tausenden kleinen Schweißperlen. Plötzlich, ein leichter, kühler Windhauch durchdringt die Hitze, fährt prickelnd über den ganzen Körper und lässt die kleinen Härchen für Millisekunden empor fahren, ehe sie sich wieder in den warmen feuchten Film senken. Haut an Haut, Schweißperle an Schweißperle, die sich im Takt aufeinander reiben: Busfahren im Hochsommer kann eine Herausforderung sein. Jedenfalls wenn das Quecksilber sich der 30 Grad-Marke nähert und die schwül-warme Luft wirklich jede Schweißpore zum sprichwörtlichen Überkochen bringt.

In Norddeutschland sind solche Tage zwar deutlich seltener als in südlicheren Gefilden, aber sie gibt es! Auch in diesem Jahr. Heute ist einer dieser schwül-heißen Sommertage und da es Sonntag ist, habe ich Zeit für einen Besuch bei meiner Freundin. Leider muss ich dafür mit dem Bus fahren; zu Fuß ist die Strecke zu weit, andere Verkehrsmittel sind ebenfalls keine Option. Ach, denke ich auf dem Weg zur Bushaltestelle, es wird schon gehen für die halbe Stunde. Bei dem Wetter und auf einem Sonntag sind sicher die meisten Leute am Strand oder genießen anderenorts den Sommertag im Freien.

Mit mir steigen nur wenige Menschen in den Bus ein. Aus purer Gewohnheit rutsche ich in der freien Sitzreihe auf den Platz am Fenster – ich ärgere mich, wenn sich Fahrgäste auf den Gangplatz setzen, statt durchzurutschen. Natürlich ist es möglich, den „Gangplatzbesetzer“ freundlich zu bitten, aufzustehen, um selbst durchzurutschen: Aber zum einen bleibt aus meiner Erfahrung der Fensterplatz in einem solchen Fall meistens leer und zum anderen ist das ein anderes Thema.

Mein Gehirn hat Gedankenpause.

Also, ich rutsche wie gewohnt auf den Fensterplatz. Alleine bin ich nicht, als sich der Bus ruckelnd in Bewegung setzt und zur ersten roten Ampel vor rollt, überfüllt ist er zum Glück auch nicht. Träge von der stickigen Luft stört es mich nicht, dass mein Gehirn eine Gedankenpause eingelegt hat, obwohl ich ihm alle Möglichkeiten gebe, sich in Tagträumen zu verlieren. Müde fühlt sich mein Körper in den Rhythmus des Busses ein, fällt leicht vorne, wenn der Busfahrer bremst, drückt sich gegen die Rückenlehne, wenn der Busfahrer das lange Gefährt beschleunigt. So verstreichen die Minuten, Haltestelle für Haltestelle legen wir zurück.

Ein Typ, so ein cooler, dynamischer, vielleicht Mitte 20, mit lässiger kurzer Jeans und auffällig unauffälligem T-Shirt, reißt mich aus meiner trägen Gedankenleere. Etwas vorsichtig setzt er sich neben mich auf den freien Gangplatz. Vielleicht um zu sehen, ob ich beiße (?) Da ich ihn schlecht wegscheuchen kann, versuche ich, ihn zu ignorieren. Wenigstens scheint sein überdimensionierter schwarz-metallic Kopfhörer von guter Qualität zu sein: Von der Musik kriege ich nichts mit, nicht einen Beat.

Ein Oberschenkeln nähert sich mir plötzlich.

Dafür dauert es keine Haltestelle bis der Typ mutiger wird – oder nerviger, je nach Perspektive. Er legt seinen Unterarm lässig auf seinem Oberschenkel ab, was unwillkürlich dazu führt, dass sich sein Oberarm bei jeder Fahrtbewegung an meinem reibt. Haut klebt geradezu an Haut, die feuchte Wärme zwischen den plattliegenden Härchen an seinem Arm wabert zu mir hinüber. Wegrutschen kann ich nicht, das Fenster versperrt mir den Weg. Ehe ich so recht reagieren kann „schwappt“ sein Oberschenkel in meine Richtung, liegt jetzt direkt neben meinem. Obwohl mein Rock bis zum Knie reicht und zusätzlich der Stoff seiner Jeans mein Bein von seinem trennt, kann ich die verschwitze klebrige Haut spüren. Nein, nicht schön – auch wenn der Typ nicht unattraktiv ist. Wieso bin ich kein „Size-Zero“-Typ, dann könnte ich sicher noch weiter Richtung Fenster rücken. Wobei…das Bein von dem Typ würde sicher mitwandern!

Wieso müssen sich Kerle immer breitbeinig hinsetzen?? Letztens im Flugzeug genauso: Kaum sitzt der Typ neben mir, schon gehen die Beine auseinander. Als würde es eine Vorrichtung dafür geben und die Beine wie an einem Gummiband auseinanderziehen, sobald das Gesäß eine Sitzfläche erreicht hat. Und nicht nur ein bisschen. Die meisten Männerbeine sind so weit gespreizt, das könnte glatt als Spagat durchgehen. Wozu, liebe Männer, macht ihr das? Wollt ihr so Euer Revier abstecken? Ist es hormongesteuertes Imponiergehabe? Oder Ausdruck Eurer einzigen, da letzten Art der Rebellion und gibt es Euch deshalb das Gefühl von Freiheit?

Zugegeben, Männer mit übereinander geschlagenen Beinen sind nicht wirklich sexy, meistens jedenfalls, aber könnt Ihr Eure Beine in der Öffentlichkeit nicht wenigstens Hüftbreit schließen?

Entschuldige, könntest Du Deine Beine bitte nicht ganz so weit spreizen?

So sitze ich da, eingequetscht zwischen Busfenster auf der einen, verschwitztem Arm und gegrätschtem Bein auf der anderen Seite. Unsere Körper reiben bei jeder Bewegung des Busses aneinander. Was soll ich auch sagen? Entschuldige, könntest Du Deine Beine bitte nicht ganz so weit spreizen? Oder: Könntest Du bitte aufhören, Dein Bein an meinem zu schubbern?  Je länger ich darüber nachdenke, was ich sagen könnte, desto amüsanter finde ich die Situation. Fast muss ich lachen – aber dafür bin ich wohl heute zu träge. In drei Stationen muss ich eh aussteigen. Das halte ich noch aus.

Mit einem Ruck hält der Bus an der nächsten Haltestelle. Beim Aufstehen fährt der Typ mit seinem Oberarm ungewöhnlich lange an meinem Arm entlang, nimmt ein paar meiner Schweißperlen mit und lässt sicher auch einige von seinen auf meiner Haut zurück. Innerlich zucke ich zusammen. Als ich die Sitzbank wieder für mich habe, atme ich merklich auf. Luft. Weite. Wohlfühlen. An der Tür guckt mich der Typ einen Moment an, lächelt. Wie? Meint er mich? Wobei sein Gesicht mich eindeutig ANlacht, nicht AUSlacht, weil er meine Erleichterung darüber, dass er und seine Nähe gewichen sind, gespürt hat. Beim Aussteigen wirft er seinen Rucksack lässig über die rechte Schulter und zwinkert mir zu.