Kaminrot, Orange, Gelb, Rostrot, dazwischen etwas verbliebenes Grün – die Laubbäume im Curauer Moor scheinen alles an Farbe aufzuwarten, was ihre Blätter hergeben und erinnern damit an den Indian Summer in Kanada. Natürlich: Hier, südlich von dem kleinen Ort Ahrensbök im südlichen Ostholstein, ist alles viel kleiner als in den Weiten Nordamerikas. Aber wenn die Sonne über die Landschaft streift, imposante Wolken über den blauen Himmel ziehen und lautkreischend eine Gruppe Kraniche über uns hinwegfliegt, ist die Größe wirklich nebensächlich.

Anfangs wandern wir auf einer kleinen, geteerten Straße. Ein Radfahrer kommt uns entgegen und eine Spaziergängerin mit Hund biegt wie wir auf den Wanderweg ein, doch schon bald sind wir alleine. Keine Ahnung, wohin Frau und Hund verschwunden sind. Im feuchten Grund versunken sicher nicht, denn Teile des etwa 350 Hektar großen Niedermoores werden auch heute noch bewirtschaftet; Weidezäune entlang des Weges zeugen davon, auch wenn anfangs kein Schaf, Rind oder Pferd zu erblicken ist.

Für Weidetiere habe ich momentan sowieso keine Zeit: Das aufgeregte Pink, kombiniert mit kreischendem Orange der Pfaffenhütchen am Wegesrand fordern meine ganze Aufmerksamkeit. Ihre eindringenden Farben scheinen geradewegs zu tanzen, an diesem wunderschönen Herbsttag. Offenbar sind auch sie überglücklich, mal mit der Sonne um die Wette strahlen zu können, als stets im trüben Einheitsgrau mit Regenschleier zu stehen, unbeachtet von den wenigen Spaziergängern, die mit tiefhängendem Kopf und hochgezogener Kapuze hier sonst ihre Runde mit dem Hund drehen. Heute, in der Sonne, tanzen und flackern sie fröhlich vor uns auf und ab, so als wollten sie ihre Farbenpracht bestmöglich in Szene setzen. Mit Erfolg! Wir bleiben stehen, werfen den Pfaffenhütchen bewundernde „Ahs“ und „Oh, wie schön“ entgegen und zücken unsere Kameras. Doch die zarten Blüten zittern im Wind – und vielleicht auch vor Aufregung –, das ist schwierig, im Bild festzuhalten.

Bunte Pfaffenhütchen am Wegesrand.

Bunte Pfaffenhütchen am Wegesrand.

Der Weg führt uns weiter zum Brutgebiet der Kraniche, wie uns ein Hinweisschild verrät. Jetzt im November brüten sie natürlich nicht mehr, aber die imposanten grau-weißen Vögel tummeln sich unweit von uns auf einer Feuchtwiese, schnattern fröhlich miteinander und schwingen sich immer wieder in die Lüfte über das Curauer Moor. Stundenlang könnte ich ihnen zusehen, wie sie aufflattern, ihre langen Hälse strecken und ihre Flügel ausbreiten. Doch es gibt noch mehr zu bestaunen.

Von weitem kündigt sich ein kleines Grüppchen Singschwäne an. Tief fliegen sie über unsere Köpfe hinweg und landen auf einer Wiese in der Ferne. Ihr Schnattern wird vom Blöken der Rauhwolligen Pommerschen Landschafe übertönt, die direkt vor uns am Zaun stehen und uns erwartungsvoll anstarren. Warm eingepackt in ihre dunkelbraune Wolle sehen sie gut gerüstet für die kalte Jahreszeit aus; auch wenn ihr Blöken sich eher nach einem „Nimm mich mit nach Hause, ich hab keine Lust mehr, hier auf der Weide zu stehen“ anhört. So niedlich sie auch sind und so durchdringend ihre Blicke, mitnehmen können wir sie leider nicht. Doch wir sind uns sicher, dass diese alte vom Aussterben bedrohte Haustierrasse der Ostseeregion – so lesen wir auf dem Schild neben dem Zaun – hier draußen ganz gut aufgehoben ist und wandern weiter.

Rauhwolligen Pommerschen Landschafe

Rauhwollige Pommersche Landschafe

Es geht einen kleinen Hügel hinauf, die bunten Laubbäume stehen hier dichter am Weg und erfreuen uns mit ihren farbenfrohen Gewändern. Oben angekommen liegt uns das Curauer Moor zu Füßen. Wie ein bunter Teppich zieht sich das Rot, Gelb und Grün der Laubbäume über die Landschaft, flackert noch farbenfroher auf, wenn die Sonne über die Blätter streift. Auch das Grün der Wiesen leuchtet in der Herbstsonne, die sich in dem Überbleibsel des kleinen Sees spiegelt. Wollige, weiße Schafe grasen gemütlich auf den Weiden oder ruhen sich, die Füße unter ihren Wollpelz geschoben, aus.

Die bauchigen dunkeln Wolken, die von Osten über das Moor ziehen, zaubern eine mystische Stimmung; denn nach Regen sehen die Wolkenberge trotz ihrer Schwärze nicht aus. Es fällt schwer, sich von diesem Ausblick zu lösen, doch allmählich kriecht die Kälte in die Knochen. Wir haben eben schon November und morgens gab es den ersten Frost. So wandern wir weiter den Weg entlang, zurück zum Ausgangspunkt und hoffen, dass dieser Herbst noch viele solcher schönen Sonnentage bietet!