Schaufensterpuppen. Augen und Nasen. Radios. Sessel und ganze Couchgarnituren. Bei der Hanseatischen Materialverwaltung in Hamburg gibt es so viel zu entdecken, dass ein Tag kaum ausreicht, um den Fundus genau unter die Lupe zu nehmen. Was als erstes erkunden? Welchen Gang zuerst einschlagen? Oder gleich nach oben in den ersten Stock? Ach, und es gibt noch eine zweite Halle? Ich glaube, ich werde hier mehrere Tage verbringen!
Den Kopf immer wieder zu allen Seiten drehend, nach oben, nach unten, gehe ich links den Gang entlang. Federboas, Engelflügel, bunte Kostüme. Jede Sekunde springen mir neue Details ins Auge, warten darauf, gesehen und im Bild festgehalten zu werden. Ein ganzes Regal voll mit alten Weckern. Gleich nebenan im nächsten Regal reihen sich alte Telefone dicht an dicht. Graue, grüne, orangene. Die „jungen Leute“ kennen so etwas wohl kaum noch, schießt es mir durch den Kopf, mit Hörer, Schnur und Wählscheibe. Nein, soooo alt bin ich noch nicht – die technische Entwicklung ist einfach zu rasant! 😉 Noch vor 25 Jahren hatten wir zu Hause, und auch die meisten meiner Freunde, noch so ein Telefon zu Hause.

Die Schreibmaschinen ein paar Schritte weiter sind aber auf jeden Fall älteren Datums. Einige sicherlich aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Hübsch sehen sie aus, mondän in ihrem glänzenden schwarzen Kleid. Nicht ganz so elegant, dafür aber mit dem Prädikat „gemütlich“ versehen, begrüßen mich die Sessel und Sofalandschaften im ersten Stock. Plüschig, wuchtig, die Lampen mit beigen Fransen verziert, jede einzelne adrett gedreht. Gut, eine Franse fehlt, was dem 60er-Jahre-Charme keineswegs schadet. In mein Wohnzimmer würde ich diese Möbel nicht stellen, aber sie erinnern mich an meine Großeltern. Auch bei ihnen stand damals, als ich kleines Kind war, eine dieser typisch beige-goldenen Stehlampen mit besagten Fransen neben dem Sofa.

zahlen-blog-materialverwNoch mehr Schwelgen in meinen Kindheitserinnerungen gibt es im unteren Geschoss: In einem der Regale, die bis unter die Decke mit Sonderbarem und Kostbarem bestückt sind, erblicke ich überdimensionierte Registrierkassen. Ich bin ganz verzückt! So eine Kasse hatten wir in unserem Geschäft, als ich klein war. Ich habe es geliebt, die großen Tasten zu drücken und den Hebel, mit dem unten die Geldschublade aufgeht, runterzuziehen. Die älteren Kundinnen fanden es, jedenfalls in meiner Erinnerung, immer ganz niedliche, wenn das „kleine Töchterchen fleißig im Laden mitgeholfen“ hat. Als Kind machen ja so viele Dinge noch Spaß: Staubsaugen zum Beispiel, fegen oder abwaschen.

Nachdenklich und nach wie vor verzückt stehe ich vor der Registrierkasse. In Nostalgie schwelgend würde ich sie am liebsten sofort kaufen. Aber wohin damit? Neben meinem Fernseher würde sie sich vermutlich arg deplatziert vorkommen. Und auch im Flur auf der Kommode würde sie wohl eher stören und jeden Besucher zunächst durch ihre wuchtige Erscheinung zusammenzucken lassen. Oder passt sie vielleicht auf die Fensterbank? Neben den beiden Grünpflanzen, die sich Jahr für Jahr tapfer von den Trockenphasen zur nächsten Gießorgie hangeln, wäre ein bisschen Platz. Zweite Schwierigkeit: Wie das monströse und gleichzeitig schwere Gerät nach Hause kriegen? Immerhin bin ich mit Bus und Bahn unterwegs. In mein mitgebrachtes lila Jutebeutelchen wird die Kasse ganz sicher nicht passen…  Es nützt nichts, ich muss den nostalgischen Schauer vorüberziehen lassen, erlaube mir noch einen letzten wehmütigen Blick und schlendere zur nächsten Attraktion in der Hanseatischen Materialverwaltung.

Ein großer Feuer speiende Drache erwartet mich in der nächsten Halle – natürlich nur aus Papier. Auf dem Weg dorthin begleiten mich große Buchstaben und Zahlen in freundlichem cremeweiß. Eine übergroße Torte in Weiß, Rot und Pink, mit Herzen verziert säumt meinen Weg. Und auch der Kiosk mit den glitzernden Lettern „Russisch Koks“ weckt mein Interesse.

Du hast auch Lust, auf Entdeckungsreise im wohl schönsten Fundus Hamburgs zu gehen? Kurioses, Stilvolles und Verrücktes zu finden? Dieses Wochenende ist Winterbasar in der Hanseatischen Materialverwaltung! Von Freitag, 9. Dezember, bis Sonntag, 11. Dezember, jeweils von 12 bis 18 Uhr, Samstag sogar bis 22 Uhr. Viel Spaß beim Erkunden!