Ein einzelner Platz, ein Straßenzug, eine Brücke – im Fernsehklassiker „Tatort“ ist oftmals nur wenig von der Stadt zu erkennen, in der die Kommissare gerade ermitteln. Nicht anders beim „Tat-Ort“ Hannover. Für die neue Folge meiner diesjährigen Sommerserie zeige ich Dir daher einen besonders schönen Teil der niedersächsischen Landeshauptstadt: die Herrenhäuser Gärten. Eine traumhafte Parkanlage, in der ich mir – gerade im Sommer zu den Feuerwerkswettbewerben – durchaus Kommissarin Charlotte Lindholm, gespielt von Maria Furtwängler, beim Aufklären eines dramatischen Mordes vorstellen könnte. Spurensuche zwischen weißen Stauen, grünen Hecken und bunten Blumenbeeten. Dazu rund 12.500 potentielle Täter – denn heute ist das Abendevent ausverkauft! Die Gäste der Hochzeitsgesellschaft im VIP-Bereich noch nicht eingeschlossen. Doch heute liegt kein Mord in der Luft, keine Intrigen, kein böses Blut – nur Wärme und Liebe und Heiterkeit.

Wer den Weg zum Eingang der Herrenhäuser Gärten im Norden von Hannover nicht kennt, orientiert sich einfach an der Masse: Schon am frühen Abend bilden sich lange Schlangen vor den Eingängen. Heute präsentiert sich Rumänien als drittes Team im diesjährigen Wettbewerb der Pyrotechniker. Insgesamt fünf Teams aus fünf Ländern treten gegeneinander an; das bereits zum 28. Mal. Die Meister – und dass sie welche sind, wird sich noch zeigen – zünden ihre farbgewaltigen Raketen, Kreiseln und Fackeln aber erst nach Einbruch der Dunkelheit. Vorher ist also genügend Zeit, durch die Parkanlage zu schlendern, sein mitgebrachtes Picknick zu genießen oder bei den Imbissständen auf kulinarische Entdeckungsreise zu gehen und der Live-Musik zu lauschen.

Die besten Plätze im Grünen sind schnell belegt

Die lange Warteschlange am Eingang wirkt zwar ein wenig abschreckend, aber es hilft ja nichts, warten gehört bei Großveranstaltungen meinst dazu. „Wenn sie keine Stühle dabei haben, können sie auch den Seiteneingang benutzen“, ruft ein junger Mann vom Ordnungsdienst den Besuchern zu, die gerade Richtung Haupteingang strömen. So auch mir. Faltstuhl habe ich keinen dabei, so folge ich gerne der Aufforderung. Beim Seiteneingang geht es sehr schnell. Keine zehn Minuten später stehe ich schon neben Springbrunnen, Orangen- und Zitronenbäumchen. Die Besucher vor und neben mir strömen weiter in den Park, während ich noch neugierig die Kulisse bestaune.

Schnell füllen sich die kleinen Rasenflächen vor der Absperrung mit besagten Klappstühlen, Hockern und Picknickdecken. Auch auf den Wegen machen es sich die Leute mit ihren mitgebrachten Utensilien gemütlich. Muss man sich jetzt schon einen Platz sichern, um das Feuerwerk optimal genießen zu können? Eine auskunftsfreudige Dame vom Sicherheitsteam beruhigt mich mit ihrem rauen, Berliner Akzent: Während des Feuerwerks dürfe auf den Wegen nicht gesessen, nur gestanden werden, ein Fluchtweg müsse zudem freigehalten werden, dafür sorge der Sicherheitsdienst, ich werde sicher noch einen guten Stehplatz finden, wenn ich gegen 21 Uhr wieder auf dem Hauptplatz bin. Dann gibt sie mir noch den guten Rat mit auf den Weg, genügend Zeit für einen Gang zum stillen Örtchen einzuplanen, da es direkt vor Feuerwerksbeginn vor den Toiletten erfahrungsgemäß lange Warteschlangen gebe. Ich bedanke mich und lausche noch der Frage einer anderen Besucherin an die Dame vom Sicherheitspersonal, die den Weg zur „Blaue Grotte“ wissen möchte. Blaue Grotte? Das hört sich sehr spannend an!

Kunst trifft Historie: Die Grotte der Herrenhäuser Gärten

Nur wenige Schritte weiter befindet sich der Eingang zu den Grotten (nicht „Blaue Grotte“ wie ich erfahre), die früher den feinen Herrschaften im Sommer als Schattenspender und zur Abkühlung dienten. Mich empfangen die drei Räume in quietschigen Farben, es glitzert und funkelt. Orange, gelb, rot und die verschiedensten Blautöne leuchten mir von den Wänden und Decken entgegen; dazwischen sitzen Figuren, hängen illustre Blumengebilde an den Wänden und in einem der Räume verfolgt mich in den kunstvoll gebrochenen Spiegelscherben mein eigenes Antlitz. Kunst! Immer wieder spannend, immer wieder anders, immer wieder un-diskutierbar, da Geschmäcker bekanntlich sehr unterschiedlich sind. Die ehemals kahlen, nackten Räumlichkeiten wurden von der Künstlerin Niki de Saint Phalle, die für ihre „Nanas“ berühmt war, gestaltet.
Sorry an alle Anhänger der Grotte, mich zieht das „Gesamtkunstwerk“ nicht so wirklich in seinen Bann; vielleicht weil mich der (bewusste) Stilbruch von Historie und Moderne überrascht, jedenfalls suche ich alsbald meinen Weg hinein ins Grüne, vorbei an Hecken und Bäumen tauche ich in die Tiefen der Gärten ein.

Je weiter ich mich vom Haupteingang entferne, desto ruhiger wird es. Einige Besucher spazieren wie ich durch den Park oder haben es sich in einer ruhiger Ecke auf ihrer Picknickdecke bequem gemacht, genießen den lauen Sommerabend und die entspannte Atmosphäre. In der großen Fontäne schimmern die Regenbogenfarben in der Sonne, in den kleinen Springbrunnen springen die Wassertropfen fröhlich im Kreis herum, die weißen Statuen glänzen in der Sonne, als wüssten sie, dass es ihre Aufgabe ist, die Besucher mit ihrer Anwesenheit zu erfreuen.
Auch hier hinten im Park ist der Rhythmus der Tuba zu hören – zum Rahmenprogramm des Feuerwerkswettbewerbs gehört auch Musik. Auf der Bühne vom Heckentheater, wo sich auch die glänzenden vergoldeten Statuen finden, unterhält heute die rumänische Band Fanfare Ciocărlia mit Folk, Jazz und Funk. Das Publikum ist begeistert, klatscht und applaudiert eifrig, einige Beine und Füße wippen – die folkloristischen Damen in bunten Kostümen sind allerdings die einzigen, die den ganzen Körper rhythmisch zur Musik bewegen.
Auch auf der Probebühne geht es musikalisch zu. Hier nimmt die Band „Ayassa“ die Zuschauer mit auf eine Reise durch Osteuropa; mal tieftraurig und melancholisch, mal überschwänglich und freudig.

Das Feuerwerk kann starten! Bühnen frei für das Team aus Rumänien

Pünktlich um neun bin ich zurück von meinem Rundgang auf dem Hauptplatz. Von hier aus sollte ich einen guten Blick auf das Spektakel am Himmel haben.Meine Füße tun weh und ich kann nicht mehr stehen nach so vielen Stunden auf den Beinen und der Warterei auf den Beginn des abendlichen Höhepunktes. Die Minuten scheinen zu kriechen, während ich müde immer wieder das Standbein wechsle, mal den einen, mal den anderen Fuße belaste, damit der jeweils andere ein paar Minuten Auszeit hat. JETZT würde ich auch gerne auf meinem Faltstuhl auf einem der Rasenstücke sitzen, gemütlich die letzten happen vom Picknick verspeisen und ganz entspannt auf das Spektakel warten. Aber jetzt ist es zu spät. Abwarten, aushalten. Oder soll ich mich auf eine der Parkbänke in den hinteren Reihen zurückziehen? Denn fernab von der wilden, unkoordinierten Ballerei in der Silvesternacht habe ich schon so manches, offizielles Feuerwerk bewundern dürfen in meinem Leben – wie spektakulär kann das Feuerwerk der Rumänischen Pyrotechniker schon sein? Die Neugier lässt mich weiter aushalten und mit einem Pärchen neben mir komme ich ins Plauschen, was die Zeit erfreulicherweise kurzweiliger erscheinen lässt.

Endlich ist es soweit; der Beginn des Feuerwerks wird über Lautsprecher angekündigt. Wie bei allen „Beiträgen“ im Wettbewerb ist erst ein vierminütiges Pflichtprogramm mit vornehmlich Elementen aus dem barocken Feuerwerk an der Reihe, die Musik dazu wird den Pyro-Spezialisten vorgegeben. Auch wenn ich von meinem Stehplatz nicht jedes Feuerrad und jeden Effekt sehen kann – schon jetzt bin ich begeistert! Die glühenden Funken, farbenprächtigen Raketen und sprühenden Lichtschweife scheinen ein Eigenleben zu haben und bewegen sich perfekt im Takt der Musik.

Grandioses Feuerwerk – hier ein Schnappschuss (ohne Stativ fotografiert)

Auch die Kür ist großartig – und spätestens nach zehn Minuten Feuerwerksshow habe ich in Gedanken sämtliche Adjektive der Welt verbraucht, um diese grandiose Darbietung zu beschreiben. Den anderen Zuschauern scheint es ähnlich zu gehen, strömen immer wieder beeindruckte „Aaaahs“ und „Oooohs“ durch die Reihen. Atemberaubende Effekte der Pyrotechnik, die das Team aus Rumnänien in den Nachthimmel über den Herrenhäuser Gärten gezaubert hat, exzellent auf die Musik abgestimmt. Was für eine wunderschöne Vorstellung! Und ich bin froh, dass ich meinen müden Füßen nicht nachgegeben und mir das Feuerwerk nicht habe entgehen lassen.

Nach dem Feuerwerk dauert es noch einen Moment, ehe das Sicherheitspersonal die Wege wieder öffnet, dann steht der Park mit seinen teils beleuchteten Statuen und Springbrunnen für einen nächtlichen Spaziergang zur Verfügung, bis zur Schließung der Herrenhäuser Gärten um 23:30 Uhr. Da es bei der Straßenbahn sicher ohnehin arg voll ist, mache ich mich für eine letzte Runde zur großen Fontäne auf. Aus der Entfernung sieht die helle Fontäne wie ein heiliger Berg aus, dem die kleinen Menschen, die davor lediglich kleine Silhouetten sind, huldigen. Dahinter der Mond, der leicht verzerrt durch die Wolken scheint – fast surreal wirkt die Szenerie, aber bildet sie doch einen traumhaften Abschluss eines wunderschönen Abends.

Jetzt bin ich gespannt, wer den 28. Internationalen Feuerwerkswettwerb für sich entscheiden wird. Der Sieger wird am 15. September nach der Darbietung des neuseeländischen Teams bekannt gegeben.

Einige Impressionen des Abends habe ich wie gewohnt in meinen Fotowelten zusammengefasst.
Die nächste – und auch schon wieder letzte Folge der diesjährigen Sommerserie – findest Du hier ab dem 1. Oktober. Welcher Schauplatz des Krimiklassikers im nördlichen Teil Deutschlands fehlt noch? Ganz richtig: Berlin! Dazu mehr im nächsten Monat.