Segelboote, Wasser, ein Rathaus wie in Venedig – die Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein hat so einiges zu bieten. Vor allem mehr, als der Sonntagskrimi, in dem der kauzige, anfangs nicht sehr gesprächige Borowski, gespielt von Axel Milberg, ermittelt, so zeigt. Auch wenn im Krimi mal die Handballer des THW mitspielen dürfen, die „Kieler Woche“, immerhin das größte Segelsportereignis der Welt, zum Ermittlungsort wird oder der Mord gleich in der Seebadeanstalt an der Förde passiert.

Kiels Stadtbild ändert sich gerade. Wer aktuell in der Innenstadt unterwegs ist, flaniert bequem an gleich mehreren Baustellen vorbei. Kaum ist man an einer Baustelle vorbeispaziert, taucht schon die nächste auf. Großes soll am Bootshafen, Kleinen Kiel und Nahe des Alten Marktes entstehen. – Wer mehr über die aktuellen Bauvorhaben wissen will, sollte den Stadtrundgang „Innenstadt im Wandel“ mitmachen. Über zwei Stunden dreht sich alles um die städtebaulichen Veränderungen das neue Konzept für eine belebte Kieler Innenstadt. Sehr spannend! Sowohl für Kieler als auch für Besucher ausgesprochen interessant und daher sehr zu empfehlen.

Stadt an der Förde – im 13. Jahrhundert auf einer Halbinsel gegründet

Bevor es um das hier und jetzt geht, gibt es einen kurzen Abriss über die Historie von Kiel. Denn der Blick in die Vergangenheit hilft, die aktuellen Veränderungen im Stadtbild zu verstehen. Gegründet wurde die heutige Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein im 13. Jahrhundert, damals noch auf einer Halbinsel gelegen, also von drei Seiten mit Wasser umgeben und zusätzlich mit einer Stadtmauer. 1242 erhielt Kiel die Stadtrechte. Wirklich bedeutend, so lerne ich bei der Stadtführung, war sie im Mittelalter allerdings nicht; vor allem im Vergleich zu Lübeck und Flensburg.

Kiel schwärmt aus!

Übrig geblieben sind aus dieser Zeit vornehmlich die Straßennamen: Burgstraße, Schlossstraße, Holstenbrücke oder die Dänische Straße. Auch die St. Nikolaikirche am Alten Markt stammt aus dieser Epoche – und ist auf jeden Fall einen Besuch wert, auch wenn sie im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und nach dem Wiederaufbau etwas aussieht als noch im Mittelalter.

Kiel boomte Ende des 19. Jahrhunderts

Ende des 19. Jahrhundert boomte Kiel regelrecht. Es kamen Marine, Werften, Industrie und damit immer mehr Menschen. Innerhalb weniger Jahrzehnte explodierte die Einwohnerzahl geradezu. Sie alle brauchten Platz. So änderte sich das Stadtbild. Wohl einer der wesentlichen Schritte war in den Jahren 1904/1905, die Wasserbereiche um die Innenstadtinsel zuzuschütten. In dieser Zeit (1911) entstand das heutige Rathaus; ein auch heute noch imposantes Gebäude. Als Vorbild diente der Markusturm in Venedig, allerdings ist der Kieler Turm mit seinen 106 Metern etwas höher. Wer auf einem Mittwoch oder Sonnabend (im Winterhalbjahr am Sonnabend) seinen Stadtrundgang angeht, dem sei der Besuch auf dem Rathausturm wärmstens empfohlen. In 67 Metern Höhe haben Besucher einen traumhaften Blick über die Stadt an der Förde, zu allen vier Seiten.

Neue städtebauliche Philosophie nach 1945

Klammert man die aktuellen Umbauten und Baustellen mal aus, prägt vielerorts der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg das Stadtbild. So hält sich nachhaltig das Vorurteil, Kiel sei keine besonders reizvolle Stadt. Gut, Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Unbestritten ist hingegen, dass im Zweiten Weltkrieg große Teile der Stadt, etwa dreiviertel der Gebäude, zerstört wurden. Über 90 Luftangriffe, die teilweise eine ganze Woche andauerten, erlebte Kiel, so erfahre ich bei dem Stadtrundgang „Innenstadt im Wandel“.Nach Kriegsende musste die Stadt nicht nur wieder aufgebaut werden, es galt, neue wirtschaftliche Felder für sich finden, nachdem vor und während des Krieges in Kiel vornehmlich Rüstungsindustrie ansässig war.

Innenarchitektur am Alten Markt in Kiel

Für die Innenstadt lautete die neue Philosophie: im Zentrum wird eingekauft, gewohnt wird eher am Stadtrand, schön gemütlich und ruhig im Grünen. So war Kiel Vorreiter im Bereich „Fußgängerzone“, ein Paradies für Shoppingfreunde entstand!

Wer heute vom Einkaufszentrum Sophienhof gegenüber vom Hauptbahnhof durch die Innenstadt Richtung Schloss flaniert, dem fallen neben den Baustellen und vielen Leerständen auch die etwas düster wirkenden Bauten am Alten Markt auf. Als unwissende Betrachterin fragte ich mich schon oft, wieso hier diese Gebäude entstehen konnten. Seit besagtem Stadtrundgang weiß ich nicht nur, dass dieses Gebäudeensemble inzwischen unter Denkmalschutz steht, sondern auch, dass es zu den Olympischen Spielen im Jahre 1972 erbaut wurde. Allerdings hatten die Planer sich das Erscheinungsbild der Pavillons etwas angestellt: Eigentlich sollte das Kupfer der Dächer mit der Zeit an der Luft oxidieren und sich grünlich verfärben – freundlich, einladend und farblich passend zum Dach der nahen St. Nikolaikirche. Leider hat das in der Praxis nicht geklappt. Die Kupferdächer behielten ihr etwas düsteres Braun. Aber auch in diesem Bereich der Innenstadt wird eine Verbesserung angestrebt 🙂

Kiel steuert auf ihre „vierte Stadtgründung“ zu

Zurück zum Wandel der Innenstadt, die einige gar als vierte Stadtgründung bezeichnen. Unumstritten wird durch den Umbau das Gesicht Kiels stark verändert. Erneuert. Verbessert, so der Gedanke. Die Philosophie der Trennung zwischen Einkaufen und Wohnen hat sich als überholt erwiesen; nicht zuletzt durch die Einkaufszentren auf der „Grünen Wiese“ mit einem üppigen Parkplatzangebot. Viele Innenstädte, so auch Kiel, bluten aus. Leere Geschäfte, wenig Angebote vor allem am Abend.

Um die Innenstadt wieder zu beleben, wurde umgedacht: Künftig sollen mehr Menschen im Zentrum wohnen. Denn, so die Idee, wo Menschen wohnen, sich aufhalten, leben, da entstehen neue Bedürfnisse und weitere Menschen folgen. Zum Konzept gehört auch ein umfangreicher Umbau um die Holstenbrücke, zwischen Bootshafen und Kleinem Kiel. Der ehemalige Kanal um die Innenstadt herum wird zwar nur angedeutet, es gibt keine Wasserverbindung zwischen den Becken oder zur Förde, dennoch werde, so erfahre ich auf dem Stadtrundgang, ein Bild von der Vergangenheit mit in die Zukunft genommen.
Fertig sein soll die vierte städtebauliche Neugründung von Kiel Ende 2019; allerdings ist der  Zeitplan bereits etwas im Verzug 🙂

Frühling beim Kieler Schloss.

Alle Infos und Termine für den Stadtrundgang findest Du hier: https://www.kiel-sailing-city.de/kieler-foerde-entdecken/stadt-hafen/stadtfuehrungen/kieler-innenstadt-im-wandel.html
Das nächste Mal startet „Kieler Innenstadt im Wandel“ am 19. Mai 2018.

„Kiel steht auf für Demokratie“: 100 Jahre Matrosenaufstand

Kiel wandelt sich nicht nur aktuell. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass von der Stadt an der Förde  vor genau 100 Jahren ein ganz wesentlicher Impuls ausgegangen ist: der Matrosenaufstand, der 1918 zur Novemberrevolution, dem Ende des Ersten Weltkrieges und letztlich zur Gründung der Weimarer Republik geführt hat. Ihm wird in diesem Jahr verständlicherweise besonders gedacht; mit thematischen Stadtrundgängen, Theatervorführungen, Vorträgen und einer großen Ausstellung im Schifffahrtsmuseum, die am 6. Mai feierlich eröffnet wird. Alle Details zum Programm, die unter dem Motto „Kiel steht auf für Demokratie“, vereint sind, findest Du hier: https://www.kiel.de/de/kultur_freizeit/1918/index.php#kalender

Es gibt noch mehr zu sehen: hübsche Architektur und viel Grün

Immer noch nicht genug! Kiel hat noch mehr zu bieten. Sehr zu empfehlen ist ein Spaziergang vom Bahnhof Richtung Landtag an der Förde entlang. Das sind gute 2,5 Kilometer mit Blick auf kleine Boote und große Schiffe – zwischen April und Oktober ist Kiel beliebter Kreuzfahrthafen. Die Fähren nach Norwegen und Schweden haben das ganze Jahr über tägliche Abfahrten, außerdem kreuzen die Fährschiffe zwischen den Kieler Anlegern und Laboe, bringen wochentags vorwiegend Pendler, in der Hochsaison und am Wochenende Strandbesucher über die Förde.

Auf dem Weg liegt das Aquarium Geomar, das nicht nur bei Schietwetter einen Besuch lohnt. Hier lassen sich drinnen Clownfische, Heringe und Krebse aus nächster Nähe bewundern. Draußen im Becken sind die Seehunde ein besonderer Anziehungspunkt – nicht nur für kleine Kielfreunde! 🙂

Wer die Sonne bei einem leckeren Kaffee genießen möchte, findet hier an der Kiellinie sicher ein schönes Plätzchen, vielleicht mit Blick auf den Schleswig-Holsteinischen Landtag. Wen die Füße weiter tragen, dem sei der weitere Spaziergang an der Förde bis zur „Wik“, dem ehemaligen Marinestadtteil, empfohlen. Vorbei an Segelbooten, Steganlagen und mit Blick auf die andere Seite der Förde, wo das Marineehrenmal von Laboe schon von weitem zu sehen ist. Für den Rückweg lohnt sich der Weg  die Stadtteile Düsternbrook, den Blücher und Brunswik Richtung Innenstadt. Beim gemütlichen Schlendern durch die Straßen bleibe ich immer wieder stehen, der Blick auf die wunderschönen Wohnhäuser gerichtet. Imposante Altbauten mit hohen Decken, weiß getüncht, die sich vor dem blauen Himmel abheben. Sag noch mal jemand, Kiel sei nicht hübsch! 🙂

Kiel in Fotos findest Du in meinen Fotowelten/Sommerserie Tatort Nord, in Kiel unterwegs und zum Sonderthema Museumsnacht in Kiel. Viel Spaß beim Stöbern! Die nächste Folge der Sommerserie „Tatort Nord“ gibt es hier am 1. Juni.

Architektur in der Kirchhofallee in Kiel.