Ruhig ist es. Ruhig und einsam. Weit und breit ist kein Mensch auf dem Klippenwanderweg zu sehen, nur ein paar Schafe grasen gemütlich auf der saftigen Wiese neben mir. Ab und zu blöken sie und laufen drei Schritte weiter, nur um sich erneut über den grünen Grund herzumachen. Vom Meer weht ein kräftiger Wind, zerzaust meine Haare und fängt sich in meinem weiten Halstuch. Die Enden flattern wie Fähnchen in der frühsommerlichen Luft. Die leuchtend gelb blühenden Ginsterbüsche duften so intensiv nach Kokos, dass sie meine Nase kribbeln lassen.

Der Wanderweg schlängelt sich an der Steilküste entlang, die unter mir steil ins Meer abfällt. Das Wasser gurgelt und sprudelt, wenn es gegen die Felsen schlägt. Weiße Schaumkronen tanzen auf den Wellenspitzen, als würden sie auf den Tausenden von Wassertropfen balancieren und am Ende mit Freude an den weißen Klippen zerplatzen, nur um sich kurz darauf neu zu formatieren und auf der nächsten Welle weiter zu tanzen. Ich stehe dicht an der Kante und betrachte das Schauspiel gebannt von hier oben. Hinunterstützen kann ich nicht – denn ich liege gemütlich und sicher zu Hause auf meinem Sofa, träume mich in Gedanken an die weißen Felsen von Dover in Südengland, während der Wintersturm den Regen gegen die Fensterscheibe peitscht. Vorfreude ist wirklich eine der schönsten Freuden! Oder stimmt das gar nicht?

Gleich mehrere Studien beschäftigen sich mit dieser Frage. In seiner Doktorarbeit in Psychologie an der US-amerikanischen Cornell Universität hat  Amit Kumar erforscht, dass die Vorfreude auf Erlebnisse deutlich größer ist als die Vorfreude auf einen Produktkauf. Die Probanden der Erlebnisvorfreude empfanden ein freudiges Kribbeln, eine positive Aufregung statt Ungeduld. Ob Vorfreude wirklich die schönste Freude ist, kommt nach dieser Studie darauf an, ob wir auf ein Erlebnis wie den nächsten Urlaub oder den Besuch von guten Freunden warten oder darauf, endlich etwas Ersehntes kaufen zu können wie den neuen Fernseher oder die ober-hippen Sneakers, für die manche die ganze Nacht anstehen muss.

Eine ältere Studie, schon aus dem Jahr 2010, hat sich mit der Frage beschäftigt, ob Urlauber glücklicher sind als Daheimgebliebene. Das Ergebnis: Wer sich auf einen anstehenden Urlaub freut, ist glücklicher als Befragte, die keine Urlaubspläne schmieden. Allerdings kam die Studie um Studienleiter Jeroen Nawijn auch zu dem Ergebnis, dass das Hochgefühl, das ein bevorstehender Urlaub auslöst, schon kurze Zeit nach der Rückkehr bei den meisten Befragten vollständig verflogen war.

Was lernen wir daraus? Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub! Um die Vorfreude weiter auszukosten, am besten gleich das nächste Ereignis anvisieren, sobald der Koffer wieder ausgepackt ist. Also, lass uns zurücklehnen, die Augen schließen, uns unseren nächsten Trip in den prächtigsten Farben ausmalen und genießen wir die Vorfreude!