Der Gipfel kommt immer dichter und ich strecke meinen Hals, um auch nichts zu verpassen. Mit einem sanften Ruck öffnet sich die Tür der roten Gondel und mit mir purzeln wir Touristen auf den Wurmberg. Immerhin der höchste Berg Niedersachsens und der zweithöchste im Harz!
Als ich den Ausblick von hier oben genieße, die Sonne warm auf mein Gesicht strahlt, kommt mir spontan ein „Oh, wie schöööön“ über die Lippen. Und sofort halte ich inne.

Die fröhlich rote Gondeln der Seilbahn bringen Besucher auf den Wurmberg.

Seit einer Wandertour an der britischen Ostküste hatte dieser Ausruf einen augenzwinkernden Unterton. Es ist viele Jahre her, dass ich mit einer Freundin den idyllischen Klippenwanderweg an der Robin Hood Bay in Yorkshire erkundete. Hinter jeder Biegung, jedem erklommenen Hügel, jedem nach Kokosnuss duftenden Ginsterbusch entfuhr uns ein „oh wie schön“. Oh sieh nur, diese Aussicht, oh wie schön! Diese tollen Farben – einfach so schön! Da hinten sieht man schon die Abbey, das ist ja schön! Natürlich meinten wir das vollkommen ernst. Es war wirklich ein besonders hübsches Fleckchen Erde, noch dazu spielte das Wetter mit und vom blauen Oktoberhimmel strahlte die wärmende Herbstsonne auf uns herunter. Dennoch, nach dem dreißigsten Mal verlor der entzückte Ausruf an Strahlkraft; auch Ernsthaftigkeit. Wir finden es weiter „so schööön“ und machen uns ein Spaß daraus. Denn was sind die Alternativen? Fantastisch? Atemberaubend? Entzückend?

Ich probiere es, stehe auf dem Gipfel des 971 Meter hohen Wurmberges, sehe auf die beeindruckende Landschaft und sage halblaut „Oh, wie fantastisch!“ Ach nee, das klingt nicht. Neuer Versuch: „Oh, wie atemberaubend!“ Viel zu künstlich und übertrieben. Das kann doch keiner für einen ernstgemeinten Ausdruck der Bewunderung halten! Mit „entzückend“ versuche ich es gar nicht erst. Großartig, das wäre vielleicht was. Aber würde mir im Augenblick der Entzückung, in diesem Bruchteil einer Sekunde, in der ich etwas Schönes erblicke, etwas, das mir so sehr gefällt, dass ich es nicht kommentarlos an mir vorüberziehen lassen möchte, würde mir in dem Moment so ein Wort einfallen?

blog-panama-fuer-text

Ein Rundweg führt um den neu angelegten Bergsee.

„Schön“ ist und bleibt einfach der beste Ausdruck dafür! So steht es schon in dem Kinderbuch von Janosch: „Oh, wie schön ist Panama!“ Und nicht „Oh, wie atemberaubend ist Panama.“
Genauso auf dem Wurmberg im Harz. Es ist ja schließlich schön hier. So wie die grünen Wiesen im Sonnenlicht funkeln, als würden die Grashalme untereinander ein kleines Schwätzchen halten. Einfach schön, wie die kleinen Wattewölkchen über den blauen Himmel schweben, ganz so als ob man sie jederzeit mit der Hand fangen und mit ihnen kuscheln könnte. Selbst die dunklen Tannen sind auf ihre Art schön, weil sie das Panorama perfekt einrahmen, das Ambiente einfangen. Schön, schön, schön! Was anderes fällt mir nicht dazu ein. Auch wenn das Wort so abgegriffen ist wie ein alter Socken, der schon unter der Spüle zum Silberputzen liegt.

Was ist Dein Lieblingsausdruck für schöne Landschaften? Bleibst Du dem „schön“ treu, wenn Du so richtig in Verzückung gerätst? Oder hast Du ein anderes Wort auf den Lippen in jenem Augenblick, der Dich alles um Dich herum vergessen lässt, weil es so grandios ist, dass Du am liebsten für immer hier bleiben würdest? Zumindest so lange bis Du jeden Ausschnitt, jedes Detail gesehen und vor Deinem inneren Auge eingefroren hast, auf Dauer konserviert. Was ist Dein Wort dafür? Ich freu mich auf Deine Anregungen!