Beim Blick aus dem Fenster, in das trübe Einheitsgrau, schweifen die Gedanken gerne mal in die Ferne. Sonne wäre jetzt schön. Und Wärme. Oder lieber eine Pracht aus weißem Schnee, der verlockend in den Sonnenstrahlen glitzert? Ein „richtiger“ Winter könnte ruhig mal wieder kommen – nachdem in den vergangenen Jahren ein Regentief dem anderen die Klinke in die Hand gab, hier bei uns in Norddeutschland. Schnee gab es kaum, zuletzt für einen Tag Ende April. Für Schnee oder zumindest Schneevergnügen in künstlich weißer Pracht müssen Winterfans aus dem Norden Deutschlands eine kleine Anfahrt in Kauf nehmen. Wer nicht nach Norwegen oder Schweden fahren möchte, der konzentriert sich meist auf den Harz; womit wir beim Thema sind.

Entschleunigung pur in liebreizender Umgebung

Raus aus dem Alltagstrott. Sich treiben lassen und nicht von Terminen und Verpflichtungen hetzen. Das suchen wohl die meisten bei einem Kurztrip. Einfach ein paar Tage Kraft tanken. Entschleunigen. Das ist hier zu finden, in Braunlage, im südlichen Harz. Dabei spielt das Wetter (fast) keine Rolle. Sommer wie Winter, Frühling wie Herbst: Der kleine Ort im Nationalpark hat einiges zu bieten. Neben viel Natur und Wanderwegen für alle Fitnesslevels lockt der kleine Ort, grob gelegen zwischen Bad Lauterberg und Wernigerode, mit einer sympathischen Mixtur aus 1950er- und 60-Jahre-Charme und Moderne.

Blick vom Wurmberg auf den Ort.

Wie, 1950er-Jahre, denkt sich der ein oder andere von Euch und zieht skeptisch die Augenbraue nach oben. Und das soll verlockend sein? Ein klares Ja! Es ist die außergewöhnlich liebreizende Mischung, die das knapp 5.000 Einwohner starke Städtchen so sympathisch macht. Auf dem Streifzug durch den Ortskern liegen Tradition und Moderne sprichwörtlich nebeneinander:  Die 1889 im für den Harz typischem Fachwerk-Stil mit viel dunklem Holz erbaute Trinitatiskirche findet sich nur wenige Gehminuten neben dem auf „coole Skihütte“ getrimmten In-Restaurant. Unweit entfernt davon das nächste Haus mit Holzverkleidung, diesmal mit Glockenspiel über der runden Fensterfassade. „Anno 1983“ steht verschnörkelt über den drei naiv gemalten Tannen, die in Kombination mit dem Fachwerk, den dunklen Glöckchen, dem kleinen Männchen, das in seiner dunkelgrünen Jacke drei Mal am Tag für zarte Töne sorgt, wirken, als seien sie aus einer anderen Zeit gefallen. Kontrast dazu die Seilbahn, die in ihren fröhlich roten Gondeln Besucher in rund zwölf Minuten auf den 971 Meter hohen Wurmberg bringt. Maximal sechs Leute passen in eine Gondel, die gemächlich den höchsten Berg Niedersachsens erklimmt. Wer es rasanter mag, vor allem bergab, nimmt für den Rückweg sein Mountainbike oder leiht sich einen Monsterroller, das sind „überdimensionierte, stollenbereifte Tretroller“. Nach einer Einweisung geht es damit auf einer gesonderten Piste zurück ins Tal; oder eben mit dem Mountainbike auf mehreren Strecken in verschiedenen Schwierigkeitsstufen. Dabei geht Sicherheit vor: Nur mit der richtigen Schutzkleidung und Helm geht es mit dem Zweirad über die teils holprige Piste abwärts.

Wer es ruhiger mag, verweilt eine Zeit, schlendert den Rundweg um den neu angelegten Bergsee entlang. Auch hier oben ist die Moderne angekommen: in der Berg-Erlebniswelt für die ganze Familie. Wassertreppen, Spielgeräte für die Balance oder zum Klettern, und wer mag, kann sich mit dem Floß an einem Seil über ein kleines Wasserbett ziehen. Das kommt an – besagt jedenfalls das fröhliche Quietschen und Lachen der Kinder samt Mama, Papa, Oma, Opa, Tante und Onkel, die sich in der Erlebniswelt austoben.

Natürlich keine Bergstation ohne Gastronomie. Die „Wurmberg Alm“ bietet Erfrischungen, kleine Snacks, Leckeres für den großen Hunger und natürlich Süßes für den lukullischen Abschluss oder die Naschfreuden zwischendurch. Nach der Stärkung lässt es sich gut wieder bergab wandern – oder mit der Seilbahn gemütlich nach unten fahren.

Historische Naherholung mit Verbindung zur Neuzeit

Schon bei meiner Recherche im Vorfeld, was ich in Braunlage sehen und erleben kann, stolperte ich immer wieder über den Kurpark. Die Bezeichnung klingt zunächst wenig verlockend, erinnert es einen doch an die Zeit der Schullandheime, Wandelhallen mit dem Charme der 1950er-Jahre, und vor dem inneren Auge formieren sich ältere Damen und Herren, die auf gut befestigten Wegen ihre kleinen Kreise drehen oder auf einer Parkbank die Sonne genießen.

Der Herbst ist auch in den Kurpark eingezogen.

Meine Neugier und die vielen lobenden Worte, die ich über den Kurpark gelesen hatte, zogen mich nach meinem Besuch auf dem Wurmberg in die grüne Oase. Die Sonne schien, auch wenn das Laub an den munter wirkenden Bäumen bereits den Herbst ankündigte, und ja, die sonnigen Plätze auf den Parkbänken, die um den Kurparkteich oder Gondelteich, wie er offiziell bezeichnet wird, herum drapiert standen, waren von fröhlich schwatzenden Senioren bevölkert. Stockenten und Blesshühner tummelten sich auf dem See, in dessen Mitte eine Wasserfontäne ihr bestes gab. Angelegt wurde der kleine See zwischen 1908 und 1909 und war damit quasi Grundstein der Kurparkanlage!
Der Kurpark beschränkt sich allerdings nicht auf den in der Tat sehr hübsch angelegten See, um den wie beschrieben eine Vielzahl an Parkbänken zum Verweilen einladen, sowie die bunt angelegten Beete und Sträucher, an denen sich kleine Wege zu versteckter liegenden Bänken entlang schlängeln. Vom See führte mich der breite Spazierweg in den oberen Teil des Park, der mit seinen hohen Tannen und ausladenden Laubbäumen fast wie ein Mini-Wald anmutet. Hier drehte ich fast alleine meine Runden, genoss die Ruhe und die Sonnenstrahlen, die durch die Bäume fiel. Gut, die „VolksGolfPark“-Anlage ist – offenbar schon länger – geschlossen; aufgrund von wiederkehrenden Schäden durch freilaufende Wildschweine wie ein Hinweisschild besagte; wohl deshalb führte mein Spaziergang an einem Hochsitz vorbei. Aber auch ohne Minigolf ist der Kurpark, einer der größten im Harz, einen Besuch wert.

Die Sonnenstrahlen tanzten in der Wasserfontäne auf dem Kurparksee.

Die Sonnenstrahlen tanzten in der Wasserfontäne auf dem Kurparksee.

Auf nach Braunlage!

Ganz gleich, ob im Sommer oder Winter, ob zum Wandern, Mountainbike oder Ski fahren: Braunlage ist ein perfekter Ort für eine kleine Auszeit vom Alltag. Mit Zug und Bus dauert die Anreise von Hamburg, Berlin oder Frankfurt (Main) jeweils nur gute dreieinhalb Stunden.