Alle Highlights von Mailand in 48 Stunden erkunden zu wollen, ist zwar ein utopisches Ziel, dennoch ist es einen Versuch wert, für den ich am Sonntag schon um viertel nach sieben am Frühstücksbuffet stehe. Wenig später geht es mit dem Vorstadtzug in die Stadt.

Mit dem Fahrstuhl in die Höhe: Palazzo Lombardia

Als erstes steht das Regierungshochhaus auf meinem Programm. Jeden Sonntag zwischen 10 und 18 Uhr dürfen Besucher auf das 39 Stockwerke in die Wolken aufragende Gebäude fahren und den Ausblick genießen.
Um neun an diesem Sonntag ist die Stadt noch ein wenig verschlafen. Ein paar Eltern sind mit ihren Kindern auf dem Spielplatz, an dem ich auf meinem Weg vom Bahnhof Garibaldi zum Palazzo Lombardia vorbeikomme. Fasziniert bleibe ich eine Weile beim „Bosco Verticale“ stehen, zwei Hochhäuser, die mit rund 900 Bäumen und 2.000 Pflanzen bewachsen sind. Laut Internet hat die Pflanzaktion von Fassaden und Balkonen etwa ein Jahr gedauert und die Pflanzen seien so aufeinander abgestimmt, dass das ganze Jahr über irgendetwas blüht oder gerade seine Farbe ändert. Jetzt im Mai ist alles erfrischend grün.

Gut eine halbe Stunde vor Türöffnung bildet sich eine erste zaghafte Schlange im Innenhof des Regierungskomplexes, die jedoch stetig anwächst. Die Wartezeit verkürzt uns ungewollt eine junge Dame in schwarzem Anzug und weißer Bluse, die direkt neben uns einen Infostand aufbaut. Kaum hat sie die schwarze Tasche mit den Bauteilen aufgemacht und mit fragendem Blick das erste Plastikstück herausgezogen, kommen die ersten Kommentare. Auf Italienisch, so verstehe ich zwar die Worte nicht, aber da die junge Dame lacht und fröhlich etwas antwortet, war es wohl ein Scherz. Auch die Wartenden in der Schlange vor und hinter mir nehmen sich dem Aufbau an. Nicht nur mit gut gemeinten Ratschlägen, die meisten von ihnen packen tatkräftig mit an, halten Seitenwände, stecken Stäbe ineinander, suchen die passende Stelle für das mit Klettband zu befestigende Infoschild. Sieben Leute sind am Ende beschäftigt, um den Infostand zum Stehen zu bringen; und alle freuen sich, klatschen und lachen, als das Werk vollbracht ist.

Punkt 10 Uhr werden die Türen geöffnet. Nach der Sicherheitskontrolle geht es mit dem Fahrstuhl in den 39. Stock. Von hier oben bietet sich ein fantastischer Blick über die Stadt. Kleine Bildchen an den Fensterscheiben – Mailand liegt hier komplett hinter Glas – helfen bei der Orientierung: Dom, Castello, Alpen. Einmal rundherum können Besucher den Blick genießen, Fotos machen, bevor es wieder mit dem Fahrstuhl nach unten geht.

Ein Muss für jeden Besucher: der Mailänder Dom

Von der Piazza del Duomo aus erhebt sich der von der Sonne hell angestrahlte Dom. Wochentags ist hier verständlicherweise viel weniger los als am Sonntag, wenn es hier von Touristen und Straßenhändlern nur so wimmelt. In der Woche scheint der Platz wieder den Mailändern zu gehören, die mittags ihr Essen im Freien genießen oder für einen Shoppingbummel durch die Stadt schlendern.

Aber auch wochentags ist die Warteschlange vor dem Ticketschalter für den Dom lang. Gut eine halbe Stunde dauert es, ehe ich am Automaten stehe – dort gehe es laut Dame am Eingang schneller als am Schalter, für den ich eine Wartenummer ziehen müsste. Beim Dom selbst geht es dann sehr schnell. Kurz anstehen, durch die Sicherheitskontrolle, dann stehe ich in dem eindrucksvollen Gebäude und bestaune die mächtigen Säulen, bunten Glasfenster, hoch aufragenden Skulpturen und detailreichen Gemälde.
Das Highlight meines Dombesuches ist jedoch der Spaziergang auf dem Kirchendach. Um hoch hinauf zu gelangen, geht es erst einmal wieder raus aus dem Dom und erneut durch eine Sicherheitskontrolle. Wer also möchte, kann auch ein Ticket ausschließlich für den Besuch auf dem Dach kaufen.

Zwar ist der Aufstieg über die Treppen sicherlich ein Erlebnis, nachdem ich aber schon so viele Kilometer durch Mailand gelaufen bin, gönne ich mir die Fahrt mit dem Fahrstuhl. Allerdings braucht man dazu ein entsprechendes Ticket. Wer das nicht vorweisen kann, muss zu Fuß das Dach erklimmen.
Ob aber nun zu Fuß oder mit dem Fahrstuhl – auch hier müssen die letzten, engen Treppen erlaufen werden – den Spaziergang auf dem Domdach sollte sich kein Besucher entgehen lassen! Sensationell die Aussicht; auch von hier kann an klaren Tagen das Alpenpanorama in der Ferne genossen werden. Die weißen Figuren und mit unglaublicher Hingabe zum Detail dekorierten Säulen und Spitzen blenden mich, sobald ich ins Freie trete. Dazu das tiefe Blau des Himmels: Hier bleibe ich eine Weile, sitze auf den warmen Steinen und genieße einfach nur diesen Tag.

Castello Sforzesco und der Parco Sempione

Es gibt noch mehr zu entdecken. Das Castello Sforzesco liegt unweit des Domes. Ein riesiger Springbrunnen ziert den Platz vor dem Schloss, das aus rotem Stein erbaut wurde und sich wunderschön gegen den blauen Himmel abzeichnet. Runde Türme. Durch den weitläufigen Innenhof des Castello gehe ich weiter zum Parco Sempione, der sich an das Schloss anschließt und ein wichtiger Teil des grünen Mailands ist. Die Mailänder lieben ihre Blumen, Wiesen und Bäume. Es gibt viele Parks, der Parco Sempione ist einer der größten, grüne Straßenzüge und die begrünten Balkone und Hinterhöfe.

Nach den vielen Eindrücken der Stadt ist der Spaziergang durch die Grünanlage wie eine kleine Auszeit J Ich beobachte eine Zeit die Stockenentenmama mit ihren neun Küken, die am Ufer des kleinen Baches sitzen. Auf einem Ast im Wasser vor ihnen haben es sich eine Reihe Schildkröten gemütlich gemacht und im kühlen Nass tummeln sich einige Fische.

Bänke zum Ausruhen der müden Füße gibt es reichlich. Erfrischung kriege ich bei einem der rollenden Verkaufswagen, die kalte Getränke, Eis und kleine Snacks bereithalten. Ich mache es mir neben anderen Sonnenhungrigen auf der Wiese gemütlich und lausche den beiden Straßenmusikern, die mit ihren Gitarren und rockigen Stücken spontan ein Open-Air-Konzert spielen. Das ist Urlaub!

Flanieren und spazieren am Canal Navigli

Den Tag lasse ich am Canal Navigli ausklingen. Wer mag, fährt mit der Metro zur Station „Porta Genova“ und läuft die letzten 600 Meter zum Kanal, aber auch von der Innenstadt ist es nicht allzu weit. An den Ufern der traumhaften Wasserstraßen reihen sich die unterschiedlichsten Restaurants, Cocktailbars und Eiscafés aneinander. Ob ein üppiges Abendessen oder ein kühlender „Absacker“, hier findet sicher jeder das Richtige.

Wer erst einmal ein wenig an den Ufern entlang schlender möchte: Auf dem Kunstmarkt können wirklich schöne Aquarelle, Ölgemälde und Kunstdrucke mit Motiven aus Mailand, der Natur oder Abstrakt bestaunt und natürlich gekauft werden. In mein Gepäck passt leider keines der Kunstwerke. Etwas weiter gibt es weitere Straßenstände: Tischdecken, T-Shirts, Hüte, Schmuck.
Beim letzteren werde ich fast  schwach, schlender dann aber doch weiter 🙂

Schmale Brücken bringen Fußgänger und Radfahrer über den Kanal. Am Navigli kann man einen erlebnisreichen Tag in Mailand wunderbar ausklingen lassen.